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Ein Leben mit Unerwartetem

Als Feuerwehrler und Bestatter muss sich Christoph Feuerstein Ruhe "organisieren".

Ein Feuerwehrmann befindet sich auf permanenter Gratwanderung zwischen Belastung und Bestätigung. Wenn Unfälle passieren wie die gestrige Zugsentgleisung und die Abwicklung des Ereignisses reibungslos vonstatten geht, spricht Christoph Feuerstein sehr gerne von „Bestätigung“. Und will damit festhalten, „dass man gerade in solchen Stunden sieht, wie wichtig es ist, dass sich Menschen freiwillig und engagiert für die Gemeinschaft einsetzen.“ Feuerstein, 52, tut das schon lange. Im Grunde blieb ihm auch gar nichts anderes übrig. „Ich entstamme einer alten Feuerwehrsfamilie. Großvater war Feuerwehrler, mein Vater ebenso. Jetzt sind mein Bruder, meine Neffen und eben ich an der Reihe.“

Technik-Freak

Doch bald schon wurde für den im Beruf als Bestatter tätigen Bludenzer aus Tradition Hingabe und vor allem Interesse. „Was mich in meiner Tätigkeit bei der Feuerwehr am meisten interessiert, ist die Technik“, teilt Feuerstein mit. Eine andere Qualität hat sich beim Familienvater im Laufe der Zeit herauskristallisiert: Führungsstärke. Es ist dies der Hauptgrund, warum er es in Uniform bis zum Feuerwehrsinspektor im Bezirk Bludenz brachte. „Ich denke, dass ich in schwierigen Situationen Ruhe bewahre und mit Leuten richtig umgehen kann“, sagt Feuerstein über Feuerstein. Ruhe brauchte er bei seinem gestrigen Einsatz. „Als wir die Benachrichtigung von einer Zugsentgleisung erhielten, wussten wir nicht, was auf uns zukommt.“ Die ersten Bilder von den Verwüstungen vor Ort ließen das Schlimmste befürchten. „Erst nach einer halben Stunde hatten wir einen Überblick und wussten dann auch, dass der Lokführer der einzige Mensch auf dem Zug war“, schildert Feuerstein die dramatischen Minuten der Ungewissheit. Riesig sei die Erleichterung darüber gewesen, dass es praktisch keine Personenschäden gegeben habe.

Trauma Lochau

Da hat Feuerstein schon viel Schlimmeres erlebt. „Ich denke da an die tödlichen Unfälle auf der S 16.“ Das für ihn Allerschlimmste spielte sich für den Bludenzer jedoch in Lochau ab. „Das war das schreckliche Zugsunglück, als auch ein Berufskollege von mir ums Leben kam. Das ging mir damals sehr, sehr nahe.“ Als Bestatter ist Christoph Feuerstein unvorhergesehene Einsätze gewöhnt. „Wobei man meinen Beruf mit meiner ehrenamtlichen Tätigkeit schwer vergleichen kann.“

Wirklich frei

Was für Feuerstein in seinem kurzweiligen Leben jedoch wahren Luxus bedeutet: Ruhe. „Die muss ich sorgfältig planen, um vor Störungen sicher zu sein.“ Die dazu notwendigen Vorkehrungen bestehen in der zeitlich begrenzten Entfernung von Piepser und Handy. „Nur dann bin ich wirklich frei.“ Was Feuerstein mit den Momenten von Freiheit anfängt? „Entweder tue ich absolut nichts oder ich gehe radeln. Im Winter fahre ich sehr gerne Ski.“ Von Ruhe ist er freilich an Tagen wie diesen meilenweit und auf absehbare Zeit hinaus entfernt.

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