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"Ein Leben für die Show"

"Ich glaube das größte Glück meines Lebens war die Tatsache, dass ich in der fernsehlosen Zeit geboren und aufgewachsen bin", resümiert Rudi Carrell am Ende eines erstaunlichen Lebens.

Während seiner 40-jährigen Karriere wurde er zu einem der populärsten Fernsehunterhalter in Deutschland. Er hat das im Juni 2006, einen Monat vor seinem Tod, niedergeschrieben, zu lesen jetzt im Geleitwort zu seiner von Jürgen Trimborn („Leni Riefenstahl“) verfassten Biografie mit dem programmatischen Titel „Ein Leben für die Show“. Wohl selten ist eine so fundierte und bekenntnisreiche Biografie in nur einem Vierteljahr seit dem gegenseitigen Kennenlernen von Autor und „Titelheld“ zu Stande gekommen, an der beide bis kurz vor dem Tod Carrells am 7. Juli 2006 im Alter von 71 Jahren intensiv gearbeitet haben (seine letzte im Buch wiedergegebene E-Mail an Trimborn datiert vom 29. Juni 2006).

Wenn die berufliche Karriere des „deutschen Holländers“ Rudolf Wijbrand Kesselaar aus Alkmaar schon genügend Material für ganze Romane hergibt, so zeigt diese umfangreiche Biografie auf 570 Seiten aber auch, wie viel dramatischen Stoff auch Carrells privates Leben birgt. Denn nach dem erstaunlich offenherzigen Einblick, den Carrell am Ende seines Lebens den ihm bis dahin persönlich unbekannten Autor in sein von Tragödien überschattetes Privatleben gibt, drängt sich dem Leser geradezu das – hier offenbar Wirklichkeit gewordene – Klischee vom „traurigen Clown“ auf. Rudi Carrell war wohl in Wahrheit ein einsamer Mensch, der sich in seine Shows flüchtete, für die er eigentlich nur lebte, wie selbst seine Familienangehörigen zu spüren bekommen sollten.

Im einem deutlichen Gegensatz stehen hier Carrells eigene Bekundungen, ein überaus glückliches Leben gehabt zu haben und die von ihm aber auch eingestandenen und von vielen Kollegen, Weggefährten und Familienangehörigen bestätigte Tatsache, dass er eigentlich nie wirkliche Freunde in seinem Leben gehabt habe. Der „Witzbold mit der goldenen Nase“ und „Beckenbauer des Showgeschäfts“, wie er auch genannt wurde, räumte ein: „Freunde habe ich nicht, will ich nicht.“ Sein langjähriger TV-Partner Jochen Busse aus “7 Tage – 7 Köpfe“ meinte denn auch einmal: „Ich glaube, Rudi ist auch nur beruflich.“

Schon in den 70er Jahren sehen Journalisten in Carrell einen „Berufswitzbold, der seine Frohnatur in der Garderobe lässt und privat eher ruppig, nervös und übellaunig ist“. Er ist in den Fernsehstudios wegen seiner Wutausbrüche gefürchtet (Beatrice Richter bekommt deswegen Magenschmerzen) und gesteht einmal selbst: „Ich bin eine Riesenarschloch. Ich bin egoistisch, fast egomanisch, übelnehmend, eitel, unstet, nachtragend und untreu. Nur meinem Beruf bin ich treu.“

Das zeigt er zum Beispiel in erstaunlicher Weise in jener Zeit der größten privaten Katastrophen Ende der 90er Jahre, als seine Frau Anke im Sterben liegt und seine neue Lebensgefährtin, mit der der „Frauenheld“ gleichzeitig schon seit längerem zusammenlebte, ebenfalls schwer krank ist und ihn ebenfalls nicht überleben sollte. Jeden Freitagabend brillierte er damals, auch nach dem Tod Ankes nach einer nur kurzen TV-Pause, mit neuen Gags und Witzen im Kreis seiner “7 Tage“-Kollegen auf dem Bildschirm. Von beiden Frauen ist er aus dem Haus geworfen und von einer auch geschlagen worden, wie er freimütig erzählte. Nach dem Tod Ankes, von der Carrell sich trotz seiner Beziehungen zu anderen Frauen nie scheiden ließ, sieht Sohn Alexander seinen Vater zum ersten Mal weinen.

Aber Rudi Carrells Leben bleibt dem Fernsehen und der Show bis zuletzt verbunden. Über alle damit verbundenen Höhen und Tiefen gibt er in dieser Biografie, die Carrells Wunsch gemäß zeitgleich in niederländischer Übersetzung erschienen ist, noch einmal bereitwillig Auskunft. Er schildert seine ersten beruflichen Anfänge als Jugendlicher in Holland Anfang der 50er Jahre an der Seite seines Vaters, einem beliebten Conférencier, bis zu seinem Aufstieg zu einem der größten Showmaster im deutschen Fernsehen. Er versammelt mit Sendungen wie der „Rudi-Carrell-Show“ oder „Rudis Tagesshow“ und vor allem der großen Samstagabend-Show „Am laufenden Band“ nicht nur die Zuschauermassen vor dem Bildschirm, sondern setzt auch Maßstäbe in der deutschen TV-Unterhaltung und beweist zudem ein erstaunliches Gespür für neue Trends in der Branche.

Dabei bleibt Carrell nicht frei von Selbstüberheblichkeit und Giftereien auf Kollegen, die aber auch zurückgiften können („vom Quoten- zum Zotenkönig am deutschen Stammtisch“). Aber Carrell zeigt auch frühe Anerkennung für kommende Talente wie Thomas Gottschalk, Günther Jauch oder Dieter Nuhr. Alles in allem war Carrells Leben „eine einzige Suche nach einer guten Pointe“, wie Alfred Biolek es ausdrückte. „Ich habe den Deutschen das Lachen beigebracht“, meinte Carrell selbstbewusst. „Es war eine Ehre für mich, in Deutschland Fernsehen machen zu dürfen. Ich habe ein so tolles Leben gehabt. Ende.“ Manche Menschen in seiner näheren Umgebung, so beschreibt die Biografie schonungslos, sind daran fast verzweifelt, und Millionen saßen begeistert vor dem Bildschirm, wenn Carrell seine Späße machte. „Ich werde noch lange in Wiederholungen weiterleben“, prophezeite der Showmaster noch kurz vor seinem Tod.

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