AA

Ein Jahr Ibiza: Zack, zack ging es für die FPÖ bergab

Die Ibiza-Affäre sorgte für ein Polit-Beben in Österreich.
Die Ibiza-Affäre sorgte für ein Polit-Beben in Österreich. ©Spiegel/SZ
Genau ein Jahr ist es her, dass die Ibiza-Affäre für ein Polit-Beben in Österreich gesorgt hat. Seitdem hat sich viel getan, die FPÖ geht allerdings als klarer Verlierer aus der Krise heraus. Die Hintergründe sind dabei bis heute ungeklärt.
Strache sieht Rücktritt als Fehler
Strache wieder Partei-Chef

Gäbe es Corona nicht, wäre wohl Ibiza das Wort des Jahrzehnts in Österreichs Innenpolitik. Vor einem Jahr krempelte ein eigentlich angejahrtes Video mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache als Hauptdarsteller die Republik um. Die FPÖ taumelte aus der Regierung, erstmals wurde ein Kanzler abgewählt, es gab die Premiere Expertenregierung und die Grünen stiegen wie Phönix aus der Asche.

Die Bombe platzte mit Verspätung. Bereits 2017 war in einer Villa auf der spanischen Insel Ibiza jenes Video aufgenommen worden, in dem sich Strache und sein Freund Johann Gudenus, seines Zeichens später geschäftsführender Klubobmann der FPÖ, vor einer vermeintlichen lettisch-russischen Oligarchennichte um ihre Ämter redeten. Warum das Filmdokument zwei Jahre unter Verschluss blieb, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Auch die Hintermänner sind wohl noch nicht zur Gänze ausgeforscht, ein politischer Hintergrund gilt mittlerweile als unwahrscheinlich, eher dürfte es sich um einen kriminellen Akt gehandelt haben, in den unter anderem ein Anwalt und ein Detektiv verwickelt gewesen sein dürften. Noch harrt die Causa jedenfalls einer gerichtlichen und parlamentarischen Aufarbeitung.

B'soffene Gschicht auf Ibiza

Doch was war eigentlich auf jenen via "Spiegel" und "Süddeutscher Zeitung" publizierten Bildern zu sehen, die nicht nur freiheitliche Parteigeschichte schrieben? In erster Linie einmal zwei alkoholisierte freiheitliche Spitzenpolitiker, die vor einer jungen schönen Frau, die sie für eine russische Millionenerbin hielten, jegliche politische Scham verloren. Neben Prahlereien und sonstigen Peinlichkeiten (von "Bist du deppert, ist die schoarf" bis zu Gudenus' Baller-Geste zur Illustration der Familie Glock) war die FPÖ-Spitze auch munter dabei, die ihr freilich gar nicht gehörende "Kronen Zeitung" zu verschupfen, Österreichs Wasser zu privatisieren und der eigenen Partei über Umwege Spenden zukommen zu lassen.

B'soffene Gschicht, alles nicht ernst gemeint, Imponiergehabe, so in etwa versuchte Strache später zu illustrieren, warum man den Worten doch bitte keinen Glauben schenken möge. Das half wenig. Zack, zack, zack, wie er unliebsame "Krone"-Journalisten aus der Redaktionsstube loshaben wollte, war der FPÖ-Chef nun selbst weg vom Fenster - widerwillig, aber immerhin. Genützt hat es den Freiheitlichen nichts. Die ÖVP wollte den sie aus unterschiedlichen Gründen nervenden Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) auch noch loshaben, was den Blauen dann doch zu weit ging.

"So sind wir nicht"

Die Folgen sind wohlbekannt. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ließ Kickl durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen aus der Regierung werfen, nach einem Desaster bei der EU-Wahl für SPÖ und FPÖ rächten sich die umgehend damit, Kurz und sein zwischenzeitlich um Experten ergänztes Kabinett parlamentarisch aus dem Amt zu jagen. Der ging sofort in den Wahlkampf, während Van der Bellen nicht nur die Moral der Österreicher hoch hielt ("So sind wir nicht"), sondern auch ein Expertenkabinett installierte, das sich unter Führung der ersten Kanzlerin Brigitte Bierlein trotz (öffentlich) kaum merkbarer Arbeit größter Beliebtheit in der Bevölkerung erfreute. Selbst jene beiden, die sich gerne in den Vordergrund schoben, Innenminister Georg Peschorn und Verteidigungsminister Thomas Starlinger, sind freilich mittlerweile fast schon wieder vergessen.

Grüne und ÖVP große Gewinner

Die Action lieferten dafür die Parteien, die sich mit Verve schon wieder in eine von VP-Chef Kurz los getretene Neuwahl zu werfen hatten. Für fragwürdige Unterhaltung sorgten unter anderem die Schredder-Affäre um einen ÖVP-Mitarbeiter, der unter falschem Namen Festplatten aus dem Kanzleramt vernichten ließ, sowie die FPÖ mit der Strache-Familiensaga.

Zunächst angelte man sich bei den mittlerweile von Norbert Hofer geführten Freiheitlichen wohl auch als Dank dafür, dass Heinz-Christian Strache sein wundersamer Weise per Vorzugsstimmen erobertes EU-Mandat nicht annahm, dessen Ehefrau Philippa, die auch Fans des langjährigen Parteiobmanns bei der Stange halten sollte. Als die opulenten Spesen des langjährigen Zugpferds dann aber das Licht der Öffentlichkeit erblickten, wäre man dann froh gewesen, mit Straches gar nichts mehr zu tun zu haben.

Philippa Strache bleibt im Nationalrat

Ein Polit-Einkommen wollte die Familie dann doch haben. Eines jener Mandate, die der FPÖ noch blieben, ging an Philippa Strache und die nahm es auch an, freilich nur noch als Unabhängige, weil die Freiheitlichen sie nicht in ihren Klub aufnahmen. Heinz-Christian Strache war da schon aus der Partei geworfen worden, was in der FPÖ langsam zur Tradition wird bei ihren Leitfiguren. Strache selbst hatte ja dereinst für den Ausschluss Jörg Haiders gesorgt, als der das BZÖ gegründet hatte. Ein Hauch Ironie schwingt jetzt mit, wenn Strache selbst mit einer eigenen Liste bei der Wien-Wahl antreten wird und damit wohl das freiheitliche Potenzial ein Stück zusammenstreicht.

Wo viele Verlierer, da auch die Gewinner und da sind die Grünen hervorzuheben, denn Sebastian Kurz war ja schon vor Ibiza Kanzler. Eigentlich nach dem Abflug aus dem Nationalrat für ein halbes Jahrzehnt abgeschrieben, ermöglichte ihnen Ibiza ein völlig unerwartetes Comeback. Werner Kogler, der sich opferte, als keiner wollte, avancierte mit grüner Brille am Kopf nicht nur zum Seriensieger, sondern später sogar zum Vizekanzler einer noch wenige Monate davor nicht einmal als Fata Morgana für möglich gehaltenen türkis-grünen Koalition.

ÖVP konnte vom Ibizavideo profitieren

Freilich, auch Sebastian Kurz hat Ibiza nicht geschadet. So eine Abwahl als Kanzler ist sicher nicht jedermanns Sache, aber wenn man dann umso triumphaler vom Wähler auf den Ballhausplatz zurückgeholt wird und auch noch gemütlich zwischen drei Koalitionspartner gustieren kann, wird einem beim Gedanken an die spanische Urlaubsinsel durchaus ein sonniges Lächeln über die Lippen huschen.

Bleiben noch Pink und Rot. Für die NEOS hat sich durch Ibiza nicht viel geändert, außer dass sie jetzt ein paar Mandatare mehr in der Oppositionsbank sitzen haben, für die SPÖ dann doch deutlich mehr. Anstatt von der Affäre zu profitieren, rutschten die Sozialdemokraten von Rekordtief zu Rekordtief und mitten in eine permanente Obfrau-Debatte, Fortsetzung möglich.

Auch wenn die Österreicher laut einer Research Affairs-Umfrage mittlerweile Ibiza mehr oder weniger vergessen haben bzw. zu immerhin 42 Prozent als harmlosen Vorfall bewerten, hat der Skandal das Land mehr geändert, als dies in normalen Zeiten möglich gewesen wäre. Alleine dass mit den Grünen der natürliche Widerpart der Blauen nun an den Schalthebeln der Republik mitwirkt, hat ganz andere Themenfelder wie den Klimaschutz subventioniert.

U-Ausschuss soll Ibiza aufarbeiten

Auch das Personal ist kaum wieder zu erkennen. Von Sozialministerin Beate Hartinger (FPÖ) hat man etwa seit Straches Abgang niemals mehr etwas gehört, Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) macht nur noch mit Privatem Schlagzeilen, an Interimsregierungschef Hartwig Löger (ÖVP) erinnert man sich mehr im Zusammenhang mit Casinos, während Alma Zadic nicht mehr für die Liste JETZT auf der parlamentarischen Hinterbank sondern als Chefin im Justizministerium sitzt und Rudolf Anschober nicht mehr als Landesrat für asylwerbende Lehrlinge sondern als Gesundheitsminister gegen das Coronavirus ankämpft.

So schnell in Vergessenheit geraten wird Ibiza jedenfalls nicht. Dafür wird die gerichtliche Aufarbeitung ebenso sorgen wie der parlamentarische Untersuchungsausschuss, der am Mittwoch mit der Ladung von Auskunftspersonen fortgesetzt wird. Große Auftritte für Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus wird es also noch einige geben.

(APA/red)

  • VIENNA.AT
  • Österreich
  • Ein Jahr Ibiza: Zack, zack ging es für die FPÖ bergab
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen