Ein Hauch von Freiheit

„Es muss nicht hoch sein, nur schön“, sagt Gebhard Barbisch und lächelt. Wie etwa die zweistündige Tour auf die Gehrenspitze, die er gerade mit Sohn Bernhard absolviert hat. „Der kleinste Hügel kann schön sein“, sagt der 53-Jährige, während die Sonne im Laternsertal über dem Nebel im Rheintal lacht. Gebhard Barbisch ist seit 2000 Landesleiter der Vorarlberger Bergrettung. 700 Stunden arbeitete er im Vorjahr, heuer sind es über 600. Alles ehrenamtlich, wohlgemerkt. Im Brotberuf arbeitet er bei der katholischen Diözese und als Liegenschaftsverwalter. „Damit ich mir das Ehrenamt leisten kann.“ Viel Aufhebens macht er allerdings nicht um seinen Posten. „Ich bin nur ein kleines Rädchen im Getriebe“, betont er. Ohne seine Kollegen würde gar nichts funktionieren. Und das sind ganz schön viele: Knapp 1200 Vorarlberger sind bei der Bergrettung aktiv. „Und wir haben kein Nachwuchsproblem“, freut sich Barbisch.
Verirrte Tourengeher
Die Bergretter braucht es in diesen Tagen besonders dringend. Immer mehr wagen sich ins alpine Gelände. Immer wieder verirren sich Tourengeher darin. Immer wieder müssen die Bergretter dann ausrücken. Das Freeride-Vergnügen abseits der Pisten, das in der Werbung angepriesen wird, löst bei Barbisch ein Stirnrunzeln aus. „Jeder muss sich bewusst sein, dass er sich im alpinen Gelände befindet, auch wenn er unten das Dorf sieht.“ Wer am Berg unterwegs ist, muss ständig Entscheidungen treffen. „Und jede Entscheidung birgt das Risiko einer Fehlentscheidung“, sagt Barbisch. Dass diese Fehlentscheidungen in regelmäßigen Abständen Einsätze der Bergretter auslösen, dieser Vorwurf kommt ihm nicht über die Lippen. „Unsere Aufgabe ist es zu retten, nicht zu urteilen.“ Barbisch ist seit 1978 bei der Bergrettung. „Auch, um mir selbst helfen zu können, falls etwas passiert“, gibt der leidenschaftliche Tourengeher zu. Die Berge selbst faszinieren ihn schon seit jeher. Schon als Bub erklomm er die Gipfel der Region. „Sofern man mich gelassen hat“, merkt er schelmisch an. Als er zur Bergrettung kam, funktionierte das Helfen noch ganz anders. Es gab keine Pager, keine Mobiltelefone, keine Hubschrauber. Die Technik erleichtert den Bergrettern heute viel. Aber die Essenz ist heute noch die gleiche. Um zu helfen, begeben sie sich selbst in Gefahr. Auch Barbisch hat das am eigenen Leib erfahren. Bei einer Suchaktion in Raggal stürzte er ab. 80 Meter tief. Dass er sich dabei lediglich den Knöchel gebrochen hat, das verdankt er wohl einer höheren Macht. „Da hat jemand die Hand dazwischen gehalten“, ist er sich sicher.
Auch auf dem Mont Blanc
Die „halbe Weltgeschichte“ habe er früher bereist, um anderswo auf dem Gipfel zu stehen. Auf dem Mont Blanc in Frankreich, dem höchsten Berg der Alpen. Auf dem Mount St. Helens in Nordamerika. Und auch in Südamerika. Auf dem Aconcagua? „Himmel nein, da sind mir zu viele Leute.“ Heute bleibt er lieber in der Region. Alle seine Touren, ob in der Heimat oder in der Ferne, hat er aufgezeichnet. Ein Laufmeter an Erinnerungen steht schon zu Hause im Regal. Dutzende Bücher sind schon voll mit Informationen zu den Touren. Und mit Fotos. Das Fotografieren gehört auch zu Barbischs Hobbys. Was Berge ihm immer noch bedeuten? „Es ist schlicht und einfach ein Hauch von Freiheit. Wenn auch keine uneingeschränkte Freiheit“, meint er philosophisch. Auch er musste in der Jugend erst lernen, welche Möglichkeiten, aber auch Gefahren die Natur bietet. Die Erfahrungen gibt er weiter. Als Alpinausbildner ist er heute noch aktiv. „Das ist wichtig, damit man die Bodenhaftung nicht verliert und weiß, wovon man spricht. Nur im Tal zu sitzen und über Schneelagen zu dozieren, das ist nicht sinnvoll.“
Zur Person
Gebhard Barbisch Landesleiter der Vlbg. Bergrettung
Geboren: 27. 8. 1958
Ausbildung: Handelsschule
Laufbahn: seit 20 Jahren bei der Diözese
Familie: verheiratet, zwei erwachsene Söhne