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Drohender Irakkrieg spaltet NATO

Die USA haben mit großer Empörung auf die Blockade der militärischen NATO-Planung für einen Irak-Krieg durch Frankreich, Deutschland und Belgien reagiert.


US-Präsident George W. Bush warf den drei europäischen Staaten vor, der Allianz zu schaden, und wandte sich gleichzeitig gegen die neue Initiative von Franzosen, Deutschen und Russen, welche die Verstärkung der UNO-Inspektionen im Irak zum Ziel hat. China gab am Dienstag seine Unterstützung für diese Dreier-Initiative bekannt. Der britische Außenminister Jack Straw erklärte in London, selbst eine tausendfach höhere Zahl von Inspektoren würde nichts gegen versteckte Massenvernichtungswaffen ausrichten. Die UNO-Kontrollore setzten unterdessen ihre Inspektionen im Irak fort und besuchten am Dienstag unangemeldet die Raketenfabrik Nissan in Bagdad und weitere Objekte.

Nach Angaben von UNO-Diplomaten bereitet Großbritannien gegenwärtig einen neuen Resolutionsentwurf vor, der den Einsatz militärischer Gewalt gegen den Irak autorisieren würde. Nach der Verständigung auf eine gemeinsame Erklärung wollen dagegen Frankreich, Deutschland und Russland die Mitglieder des Sicherheitsrats von der Möglichkeit einer „Alternative zum Krieg“ überzeugen. Die UNO-Botschafter der drei Länder wollen die Erklärung, die vom französischen Präsidenten Jacques Chirac und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Paris vorgestellt wurde, an alle Mitglieder des höchsten UNO-Gremiums verteilen. Nach Diplomatenangaben arbeitet Frankreich an einem detaillierten Text zur möglichen Verstärkung der Abrüstungsinspektionen im Irak. Ein Entwurf sei an die Mitglieder des Sicherheitsrats sowie an die Chefinspektoren Hans Blix und Mohamed el Baradei gerichtet, die am Freitag in New York ihren nächsten Zwischenbericht vorlegen sollen.

Im Weltsicherheitsrat gibt es nach Angaben deutscher Regierungskreise eine deutliche Mehrheit für eine Verlängerung der Inspektionen im Irak. Bis auf die USA, Großbritannien, Spanien und Bulgarien unterstützten alle Ratsmitglieder – also elf von 15 – die deutsch-französisch-russische Linie. Zum jetzigen Zeitpunkt gebe es keine Veranlassung, über eine zweite UNO-Resolution zu sprechen, hieß es in den Regierungskreisen. Erst wenn alle Möglichkeiten der ersten Resolution ausgeschöpft seien, müsse über eine zweite Entschließung nachgedacht werden. Den Vereinigten Staaten sei es mit ihrem von Frankreich, Deutschland und Belgien blockierten Antrag in der NATO um etwas anderes gegangen als um den Schutz der Türkei, der ohnehin sicher gestellt sei. Es sei Washington darum gegangen, „zu signalisieren, dass die NATO hinter einem Ansatz steht, den wir im Augenblick nicht für gerechtfertigt halten“, erklärten deutsche Regierungskreise am Dienstag in Berlin.

Bei dem Veto, das Frankreich, Belgien und Deutschland am Montag eingelegt hatten, sei es darum gegangen, die Dynamik, mit der die Entwicklung auf einen Irak-Krieg zusteuere, nicht weiter anzuheizen. Deutschland habe der Türkei „jede Versicherung“ gegeben, dass ihr im Falle eines Angriffs deutsche Hilfe zuteil werde. „Das wissen auch die Amerikaner“, hieß es. Wenn sich aber gerade ein Erfolg der Bemühungen um Verhinderung eines Krieges abzeichne – wie die unbeobachteten Gespräche mit irakischen Wissenschaftlern oder die Zustimmung Bagdads zur Entsendung amerikanischer U2-Aufklärungsflugzeuge – „dann ist doch nicht der Zeitpunkt, zu militärischen Zwangsmaßnahmen zu greifen.“

Der türkische Ministerpräsident Abdullah Gül hat seine Bitte an die NATO um Beistand im Falle eines Irak-Krieges erneuert. Die Türkei verlangt Konsultationen nach Artikel IV des NATO-Vertrages. Dieser Artikel verpflichtet die Mitglieder der Allianz zu gemeinsamen Beratungen, wenn ein Mitglied seine territoriale Integrität, politische Unabhängigkeit oder seine Sicherheit gefährdet sieht. Gül hat einem Pressebericht widersprochen, wonach er dem irakischen Machthaber Saddam Hussein Exil in der Türkei angeboten hätte.

Alle 15 Mitglieder der Europäischen Union haben die Einladung der griechischen Ratspräsidentschaft zu einem Sondergipfel zur Irak-Krise angenommen. Das teilte am Dienstag ein griechischer Regierungssprecher in Athen mit. Griechenlands Regierungschef Costas Simitis hatte den Sondergipfel für kommenden Montag in Brüssel angekündigt. Bei dem Treffen soll eine gemeinsame europäische Position im Irak-Konflikt festgelegt werden.

Der iranische Staatspräsident Mohammad Khatami hat den Kriegskurs der USA gegen den Irak angeprangert und vor den Leiden gewarnt, die eine Militärintervention in dem Nachbarland dem irakischen Volk zufügen würden. Auf einer Großkundgebung zum 24. Jahrestag des Sturzes des Schah-Regimes sagte Khatami vor zehntausenden Menschen auf dem Freiheitsplatz in Teheran, die ganze Welt lehne die Einmischungen der USA ab. Ein Irak-Krieg sei die direkte Fortsetzung der „Einmischungspolitik der USA in allen Ländern“. Diese Politik sei eine „enorme Bedrohung“ für alle freiheitsliebenden Staaten.

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