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Drogensubstitution: Behandlung mit Depot-Medikament noch nicht erlaubt

60 Prozent der Drogenabhängien in Österreich befinden sich in Substitutionsbehandlung.
60 Prozent der Drogenabhängien in Österreich befinden sich in Substitutionsbehandlung. ©pixabay.com (Sujet)
In Österreich befinden sich rund 60 Prozent der Drogenabhängigen in Substituionsbehandlung. Vor einem Jahr wurde in der EU ein Depot-Medikament zugelassen, in Österreich darf dieses jedoch noch nicht angewendet werden.

Knapp 60 Prozent der Opiatabhängigen in Österreich befinden sich in Substitutionsbehandlung. Ein vor einem Jahr in der EU zugelassenes Depot-Medikament zur einfacheren wöchentlichen oder monatlichen Injektion von Buprenorphin unter die Haut kann aber in Österreich nicht eingesetzt werden. Es fehlt weiterhin die dafür notwendige Novellierung der geltenden Suchtgiftverordnung.

Srogensubstituitonstherapie: Patienten müssen täglich in die Apotheke

An sich ist die Drogensubstitutionstherapie in Österreich seit Jahrzehnten ein Erfolg. Dabei verwendete Opioide auf ärztliches Rezept können die Patienten vor allem vom Heroin-Schwarzmarkt wegbringen und entkriminalisieren. Die medizinische und soziale Stabilisierung sowie die Vermeidung lebensgefährlicher Folgen von problematischem Opiatkonsum wie Überdosierung und Infektionen, wie HIV oder Virus-Hepatitis, sind das Ziel. Was aber bleibt: Die Patienten müssen zumeist täglich in die Apotheke, um sich ihre Dosis abzuholen und einzunehmen.

"Das ist oft stigmatisierend. 40 Prozent der Substitutionspatienten sind berufstätig. Die bisherige Art der Drogensubstitutionsbehandlung ist für sie oft nicht flexibel genug. Auslandsreisen sind praktisch immer problematisch", sagte Gabriele Fischer, Leiterin der Drogenambulanz am Wiener AKH (MedUni Wien), vor wenigen Tagen beim Lisbon Addictions-Kongress in Lissabon.

In Österreich sind etwa 60 Prozent der Patienten mit Drogenersatztherapie auf retardiertes Morphin eingestellt. Den Rest teilen sich Methadon-Präparate und Buprenorphin. Letzteres kann für Behandelte Vorteile haben, weil es auf die Psyche weniger dämpfend wirkt und bezüglich Überdosierungen einen schützenden Plafond-Effekt aufweist.

Depot-Buprenorphin könnte Fortschritt mit sich bringen

Einen Fortschritt könnte ein bereits seit einem Jahr in der EU zugelassenes Depot-Buprenorphin bieten. "Es muss nicht mehr täglich eingenommen werden. Der Arzt injiziert das Medikament dem Patienten einmal wöchentlich oder einmal monatlich. Ich sehe Vorteile vor allem für berufstätige Substitutionspatienten. Hinzu kommt, dass durch die Gabe als Injektion unter die Haut kein Abzweigen für den Schwarzmarkt möglich ist", sagte die Psychiaterin, seit vielen Jahren auf die Behandlung von Drogenpatienten spezialisiert und ständig wissenschaftlich tätig. In Lissabon gab es zu dem Thema auch ein Experten-Hintergrundgespräch des schwedischen Pharmaunternehmens Camurus über die Anwendung des Depot-Buprenorphins in der Drogen-Substitutionstherapie in Haftanstalten. In Deutschland wurden damit bereits gute Erfolge erzielt.

Behandlung in Österreich noch nicht möglich

Freilich, in Österreich ist die Behandlung von Patienten mit dem neuen Medikament noch immer nicht möglich. Das liegt an der entsprechenden Formulierung in der geltenden Suchtgiftverordnung. Dort heißt es im Paragraf 23 unter anderem: "Opioid-Substitutionsbehandlung im Sinne dieser Verordnung ist die ärztliche Behandlung der Opioidabhängigkeit mit oral zu verabreichenden opioidhaltigen Arzneimitteln nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung."

Die Festlegung auf die Anwendung solcher Arzneimittel allein zum Schlucken verhindert jedenfalls die Etablierung der Buprenorphin-Depot-Therapie. Gabriele Fischer: "Es fehlt einfach die Ergänzung um das Wort 'subkutan' (Verabreichung; Anm.)." Im Obersten Sanitätsrat hat es dazu bereits Diskussionen gegeben.

Depot-Drogensubstitutionsmittel in Österreich: Erfolge in Studien

Das Depot-Buprenorphin gibt es in Dosierungen von acht, 16, 24, 32, 64, 96 und 128 Milligramm pro Injektionsdosis. Bei Patienten, welche noch kein Buprenorphin erhalten haben, wird mit einer sublingualen Dosis von vier Milligramm die Verträglichkeit getestet. Dann folgt die erste Injektion. Binnen Wochen kann die individuell passende Dosis auf der Basis wöchentlicher Verabreichung gefunden werden.

Auch eine Umstellung von oralem Buprenorphin ist relativ einfach. Für die korrekte Dosisanpassung gibt es Umrechnungstabellen. Eine (orale) Dosis von zwei bis sechs Milligramm entspricht beispielsweise einer wöchentlichen Depotdosis von acht Milligramm, wie die Deutsche Apotheker Zeitung (DAZ.online) schrieb.

"Eine Studie mit 428 Patienten mit Opioid-Abhängigkeit zeigte, dass Depot-Buprenorphin (Name des Medikaments entfernt; Anm.) wirksam in der Reduktion des (sonstigen; Anm.) Opioid-Konsums ist", schrieb die Europäische Arzneimittelagentur (EMA). Die Hälfte der Patienten hatte 25 Wochen lang entweder das Depot-Medikament erhalten oder orales Buprenorphin in Kombination mit Naloxon eingenommen. Im Beobachtungszeitraum hatten 35 Prozent der mit dem neuen Arzneimittel Behandelten keinen positiven Drogen-Harntest (Beikonsum), in der Gruppe der mit oralem Buprenorphin Behandelten war das bei 28 Prozent der Fall.

Drogen-Substitutionstherapie besonders wichtig für Gefängnisinsassen

Wichtig könnte die neue Drogen-Substitutionstherapie auch speziell für Gefängnisinsassen werden. Es ließe sich wahrscheinlich ein Teil des dort sonst florierenden Drogenschwarzmarktes - auch durch Abzweigen von Drogenersatzmedikamenten - verhindern. Hinzu kommt, dass Opioid-Abhängige unmittelbar nach Haftentlassung extrem gefährdet sind, weil sie unbehandelt oft sofort wieder mit "Straßendrogen" konfrontiert sind, deren Potenz sie nicht mehr gewöhnt sind oder einschätzen können.

"Das akute Risiko für Todesfälle durch Drogen war bei aus der Haft entlassenen Frauen innerhalb der ersten Woche 69 Mal höher als bei Frauen aus der Allgemeinbevölkerung, bei den Männern um 29 Mal höher", stellte die Wiener Drogenexpertin Gabriele Fischer in Lissabon in einem Vortrag dar. Könnte man den Abhängigen vor der Haftentlassung beispielsweise ein Ein-Monat-Depot verabreichen, ließe sich dieses Risiko wahrscheinlich reduzieren und die Zeit bis zur Weiterführung der Therapie in Freiheit überbrücken. Was in Österreich aber neben der Anpassung der Suchtgiftverordnung noch fehlt, das sind Preisverhandlungen zwischen dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger und dem Hersteller zur Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen. Das eine sollte aber vom anderen nicht abhängen.

(APA/Red)

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