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Diskussion zu "Europa und Islam" in Wien

Multikulti am Wiener Brunnenmarkt.
Multikulti am Wiener Brunnenmarkt. ©AP (Sujet)
Unter dem Motto "Integration, Europa und Islam. Werte - Prägung - Konflikte" lud der "Österreichische Integrationsfonds" (ÖIF) am Montagabend zu einer Diskussionsrunde nach Wien. Das Fazit der Debatte: Damit das Zusammenleben zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen funktionieren kann, ist ein gesellschaftlicher Grundkonsens nötig. Existieren zu viele unterschiedliche Werteordnungen nebeneinander, kommt es zu Konflikten.

Es diskutierten der Islamische Religionspädagoge Mouhanad Khorchide, die Politologin Nina Scholz, der Leiter des Kultusamts im Bundeskanzleramt Oliver Henhapel und die Sektionschefin für Integration Susanne Raab.

Integration durch Emanzipation

Abdel-Hakim Ourghi musste krankheitsbedingt absagen, er fand aber im Vorfeld Zeit zu einem Gespräch mit der APA. Ourghi ist Leiter des Fachbereichs “Islamische Theologie und Religionspädagogik” an der pädagogischen Hochschule Freiburg. Der 1968 im algerischen Oran geborene Islamwissenschaftler kämpft für eine humanistische Auslegung seiner Religion und ruft zu einem innerislamischen Dialog auf. Konkret wendet er sich gegen Import-Imame aus Saudi-Arabien und der Türkei oder Self-Made-Imame, die ein reaktionäres Islambild vermitteln. Er fordert daher, dass die Imame in Österreich respektive Deutschland ausgebildet werden sollen und auf Deutsch gepredigt wird.

Der Mitbegründer der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin kämpft aktiv für Frauenrechte und wendet sich gegen Antisemitismus. Zudem will er auch Imaminnen in den Moscheen implementieren. Ourghi thematisiert den Begriff Islamophobie, der oftmals dazu diene, jegliche Kritik im Keim zu ersticken.

Seine Reformbestrebungen richten sich gegen die Macht des politischen Islam und der konservativen Verbände, deren veraltete Sichtweisen nicht mehr die Lebensweise der Muslime im westlichen Kontext entsprächen. Ourghi postuliert, dass sich Muslime gegenüber Angehörigen anderer Religionen öffnen und von der Schrift und dem Deutungsmonopol der Gelehrten emanzipieren sollen. Jeder Muslim solle selbst denken und sich von kollektiven Zwängen befreien.

Fazit der Islam-Diskussion in Wien

Auch Khorchide, der Leiter der Islamischen Theologie an der Universität Münster, ist dafür, den Islam auf Grundlage der Vernunft zu reformieren. Bei der Podiumsdiskussion brachte er zwei konkrete Fallbeispiele: Ab Mitte diesen Jahres wird in Saudi-Arabien das Verbot für Frauen aufgehoben, Auto zu fahren, obwohl das bis dato als unislamisch und verboten gegolten hatte. In Tunesien ist es muslimischen Frauen seit September des Vorjahres erlaubt, nichtmuslimische Männer zu heiraten. Auch hier fanden sich alsbald Gelehrte, die das religiös legitimierten. Für Korchide sind das Paradigmen, die veranschaulichen, wie sich der Islam durchaus an gesellschaftliche Veränderungen adaptieren kann.

Scholz, die zu den Themenbereichen Nationalsozialismus, Antisemitismus, Islam und Menschenrechte sowie zum Spannungsfeld von Religions- und Meinungsfreiheit forscht, sieht durch die Migration einen gewissen Vormarsch eines konservativen Islam, weil die Menschen beim Erreichen Europas nicht so einfach ihr Weltbild ad acta legten. Hier gelte es vor allem, beim Thema Bildung und Integration anzusetzen.

Raab will daher muslimische Migrantinnen durch verpflichtende Wertekurse dahingehend stärken, dass sie ihre erweiterten Rechte, die sie in Österreich und Europa haben, auch tatsächlich nutzen. Denn Frauen spielen für sie eine zentrale Rolle bei der Erziehung und damit bei der Tradierung gesellschaftlicher Normen. Sie könnten durch die Internalisierung liberaler Werte zu Vermittlerinnen und Gewinnerinnen einer gelungenen Integration werden.

Henhapel, der mit seiner Abteilung für die Umsetzung des Islamgesetzes zuständig ist, betonte, dass die Scharia mit der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht kompatibel sei und es beim Thema Religionsfreiheit nicht nur die Freiheit zu etwas, sondern auch die Freiheit von etwas zu berücksichtigen gelte. In Österreich könne und dürfe es daher nicht sein, dass Frauen aufgrund ihres Geschlechts von gesellschaftlicher Partizipation ausgeschlossen sind.

(APA/Red)

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