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Diskussion um Zumutbarkeitsregeln für Arbeitslose

Zumutbarkeitsregeln anfangs im unteren Mittelfeld.
Zumutbarkeitsregeln anfangs im unteren Mittelfeld. ©APA/HERBERT NEUBAUER
Arbeitsminister Martin Kocher hat eine Diskussion über eine Reform der Arbeitslosenunterstützung angestoßen. Eine Frage ist dabei, ob mit strikteren "Zumutbarkeitsregeln", also mehr Druck, die Arbeitslosigkeit verringert werden könnte.

Österreich liegt nach OECD-Kriterien bei den Anforderungen an Arbeitslose zunächst im unteren Mittelfeld. Gegenüber Langzeitarbeitslosen mit Notstandshilfe ist Österreich hingegen etwas strenger als die meisten Länder.


Österreich bei Vergabe und Kontrolle von Arbeitslosengeld weniger streng

Auch im Vergleich mit den meisten nordischen Ländern ist Österreich bei der Vergabe und Kontrolle von Arbeitslosengeld weniger streng. Allerdings sind die Unterschiede nicht überwältigend groß. Finnland ist sogar weniger streng, nur Schweden deutlich rigider, zeigt der von der OECD verwendete Index (Strictness of Activation Requirements). Dieser besteht wiederum aus einem guten Dutzend Teilfaktoren. Dabei zeigt sich, dass Österreich bei den Strafen, etwa der Kürzung von Arbeitslosengeld, nicht besonders streng ist. Auch Mobilität und Verfügbarkeit wird in Österreich weniger eingefordert als in vielen anderen Ländern. Dafür gehört Österreich bei den Anforderungen, aktiv nach einem Job zu suchen, zu den strengsten Ländern. Auch fällt auf, dass Österreich besonders wenig Rücksicht auf den Berufsschutz nimmt - Arbeitslose müssen jeden Job annehmen, wenn die Bezahlung in der gleichen Größenordnung wie vor der Arbeitslosigkeit liegt.

Strengere Regeln bei Notstandshilfe

Beim Umgang mit Arbeitslosen die Notstandshilfe beziehen, ist Österreich hingegen strenger als die nordischen Länder - wohl weil in Österreich kaum ein Unterschied zwischen Arbeitslosigkeit und Notstandshilfe besteht, während beispielsweise in Dänemark der Druck nachlässt, sagt Lukas Lehner, der an der Universität Oxford zum Thema Arbeitslosigkeit forscht.

Die Bestimmungen, was alles Arbeitslosen in einem neuen Job zumutbar ist, sind aber nur ein Teilaspekt bei der Gestaltung der Arbeitslosenunterstützung, gibt Lehner, zu bedenken. Die wichtigste Frage sei, ob überhaupt genug Jobs vorhanden sind. Wenn auf drei Jobsuchende nur ein Arbeitsplatz komme, sei für zwei Drittel der Betroffenen ausschlaggebend, dass es keine Arbeit gibt. Erst wenn es grundsätzlich eine offene Stellen gebe, werde das "Matching" relevant, also die Frage, ob die Qualifikationen der Arbeitslosen zu den offenen Stellen passen. Erst an dritter Stelle stehen dann individuelle Überlegungen ob die Arbeit als zumutbar empfunden und angenommen wird. Dann erst geht es um das Gehalt oder verlangte Mobilität.

Diese individuellen Faktoren, die jemanden davon abhalten einen Job anzunehmen sind breit gestreut, so Lehner: Es kann an der Höhe der Bezahlung im Vergleich zum Arbeitslosengeld liegen, an der fehlenden Möglichkeit oder Bereitschaft zu übersiedeln, es kann aber auch an Betreuungspflichten der Arbeitslosen oder an gesundheitlichen Einschränkungen liegen, wenn ein Job abgelehnt wird.

In diesem Kontext sei auch die viel diskutierte stufenweise Absenkung (Degressivität) von Arbeitslosengeld nur "ein technisches Detail", sagt Lehner. "Mir ist nicht klar, warum gerade dieses Detail so präsent ist". Denn der degressive Druck würde nur dort wirken, wo es einen - von der Qualifikation her passenden - Job gibt und die Höhe des Arbeitslosengeldes ausschlaggebend ist, ihn nicht anzunehmen. Zur Senkung der Arbeitslosigkeit tauge diese Maßnahme nicht. Es gebe sogar eine Tendenz, dass Länder mit höherem Arbeitslosengeld weniger Arbeitslosigkeit haben - auch wenn Lehner hervorhebt, dass dazu kein kausaler Zusammenhang belegt sei.

(APA/Red)

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