Dietmar Pflegerl, 15 Jahre lang Intendant des Klagenfurter Stadttheaters, ist am Donnerstag in Klagenfurt gestorben. Pflegerl erlag im 64. Lebensjahr einem schweren Krebsleiden, an dem er bereits seit Jahren gelitten hatte. In seiner Ära wurde das Stadttheater zu einer modernen und auch international anerkannten Bühne, sowohl im Bereich des Schauspiels als auch der Oper. Er löste in seiner Anfangszeit heftige Diskussionen aus, war aber bald unumstritten, außer bei der Politik, mit der er zahlreiche Sträuße ausfocht.
Pflegerl wurde am 6. September 1943 in Klagenfurt geboren, absolvierte das Akademische Gymnasium in Graz und studierte zunächst Staatswissenschaften, bis er 1965 zur Akademie für Musik und darstellende Kunst Graz wechselte. Sein erstes Engagement erhielt er in Basel, später führte er am Hamburger Thalia-Theater unter Boy Gobert Regie, ging mit Gobert an die Staatlichen Bühnen nach Berlin und dann nach Wien. Dort inszenierte er am Volkstheater und am Theater in der Josefstadt, bevor er 1992 nach Klagenfurt geholt wurde.
In der Kärntner Landeshauptstadt sorgte Pflegerl für Aufsehen erregende Premieren ebenso wie für politische Konflikte. Die Inszenierung des Kärntners Martin Kusej von Kabale und Liebe löste 1993 einen veritablen Eklat aus, manche Zuschauer – aus der Ära Wochinz schöne Aufführungen gewohnt – schworen damals gar, das Haus nicht mehr zu betreten, so lange Pflegerl das Zepter schwinge. In der Rückschau war das der beste Theaterabend, den es in Klagenfurt je gegeben hat, meinte Pflegerl ein Jahrzehnt später. Damit sei eine neue Theatersprache geschaffen worden, mit der Kusej heute weltweit anerkannt ist.
Der Intendant ließ sich trotz heftiger Proteste von seinem Weg nicht abbringen, und gewann mittelfristig nicht nur neues Publikum für das Theater, auch das alte kehrte zurück. Bestes Beispiel: Als Kusej 2002 in Klagenfurt Christopher Marlowes Edward II inszenierte, war von Skandal keine Rede mehr. Das Publikum hat sich gewandelt, konstatierte Pflegerl nicht ohne Befriedigung.
Es gab aber auch Niederlagen, der größte Flop war wohl Liebe und Anarchie, das in der ersten Spielzeit Pflegerls eine Woche vor der Premiere aus künstlerischen Gründen abgesetzt. Drei Millionen Schilling setzte der Intendant damit in den Sand, überstand diese Krise jedoch, wohl auch auf Grund des großen Erfolgs der anderen Produktionen. In den letzten Jahren seiner Arbeit gelang es ihm, gleich zwei Uraufführungen von Peter Turrini nach Klagenfurt zu holen. Bei Einbruch der Dunkelheit wurde das erfolgreichste Stück der Spielzeit 2005/2006 und erreichte eine Auslastung von 98,.7 Prozent.
Persönlich weit härter getroffen war der Theaterfanatiker allerdings durch eine anonyme Strafanzeige. Darin wurde ihm im Zusammenhang mit der Stadttheater-Produktion des Musicals Evita für die Seebühne Veruntreuung vorgeworfen, zu Unrecht, wie sich bald herausstellte. Nicht ohne gewisses Vergnügen trug er hingegen seine Konflikte mit der Politik aus. Schon ein Jahr nach seinem Amtsantritt forderte die damalige FPÖ die Abberufung des Aktionisten und Parteigänger der Sozialisten. 1995 wurde er als Mini-Peymann tituliert, den man in Kärnten nicht brauche. 1998 schlug sich Pflegerl bei der Kampagne der FPÖ gegen den Kärntner Künstler Cornelius Kolig öffentlich auf dessen Seite. Kolig wurde zur Wiedereröffnung des renovierten Theaters eingeladen, die Freiheitlichen waren verärgert. Der Zweite Landtagspräsident Jörg Freunschlag meinte, Pflegerl begehe mit der Gestaltung des Tages der offenen Tür Vertragsbruch. So ging es munter fort, Pflegerl verkündete, Haider werde 2004 abgewählt werden – ein Irrtum, wie sich herausstellte.
In den vergangenen zwei Jahren gab es keine Skandale und Auseinandersetzungen mehr. Das hatte einerseits mit dem Vertragsende im Sommer 2007 zu tun, andererseits aber sicherlich auch mit der schweren Erkrankung Pflegerls, mit der er 2002 konfrontiert wurde. Vergangenes Jahr meinte er noch hoffnungsfroh, er habe eine wesentliche Schlacht gegen den Krebs gewonnen. Sein Optimismus war bis zuletzt schier grenzenlos, so hatte er für die diesjährige Spielsaison noch selbst einige Regiearbeiten geplant. Tschechows Onkel Wanja im Jänner machte er auch noch selbst, obwohl er bereits schwer gezeichnet war, die Inszenierung von King Lear wenig später konnte er nicht mehr realisieren.
Pflegerl hinterlässt seinem Nachfolger Josef Köpplinger ein gut bestelltes Haus. In der Kärntner Theaterszene hinterlässt er eine große Lücke.