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Die vierte Macht

Als "politischen Menschen" würde sich Moritz Bleibtreu mangels Aktivismus nicht bezeichnen. An Gedanken und einer starken Haltung zu diversen Themen fehlt es dem 40-jährigen Schauspieler aber nicht. Alle Spielzeiten auf einen Blick

Im APA-Gespräch anlässlich des Kinostarts von Dennis Gansels “Die vierte Macht” kommenden Freitag (9. März) kritisiert er die späte Aufklärung der Neonazi-Morde in Deutschland, die “Mickrigkeit” des kürzlich zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff und die weltweite Instrumentalisierung von Terrorismus. In “Die vierte Macht” spielt Bleibtreu den Berliner Szenejournalisten Paul Jansen, der in Moskau ein Boulevardblatt zu neuem Glanz verhelfen soll und in ein politisches Komplott gerät.APA: Man kennt Sie bisher in größtenteils selbstbewussten, fast großmäuligen Rollen. Konnten Sie mit dem eher gehemmten, überforderten Paul Jansen nun vergleichsweise ein Weichei spielen?

Moritz Bleibtreu: Nö. Das ist halt einer, der mit einer Last nach Moskau geht. Dem geht es nicht gut, der hat sich gerade von seiner Familie getrennt, sich in Deutschland beruflich was zuschulden kommen lassen, hat – wie man im Film nur am Rande erfährt – Interviews gefälscht, sich ein bisschen daneben benommen. Er ist ja eigentlich auf der Flucht, wenn man so will, von seinem alten Leben und versucht jetzt, etwas Neues zu etablieren. Er ist erstmal auf der Suche nach Ablenkung, und deswegen am Anfang auch in sich versunken und gar nicht willens, auf alles, was da draußen passiert, zu sehr zu reagieren. Er ist auch jemand, der eine Lebenslüge mit sich herumträgt und versucht, den Anschein zu geben, ein ambitionierter, ernsthafter Journalist zu sein, aber eigentlich hat er schon lange seine Seele an den Teufel verkauft und das weiß er auch. Nach und nach findet er durch die Geschehnisse mehr über sich selbst heraus und über andere Sachen.

APA: Ein politischer Mensch zu sein, ist Paul Jansen durch seinen Vater – ein kritischer, investigativer Journalist – in die Wiege gelegt worden, doch er drückt sich davor. Würden Sie sich als politischen Menschen bezeichnen?

Bleibtreu: Nein, überhaupt nicht. Was ein politischer Mensch ist, kann man natürlich so oder so definieren. Im Sinne des Interesses und dessen, dass ich weiß, dass es mich angeht und ich eine Meinung und Haltung habe, mir meine Gedanken mache, bin ich sehr politisch. Aber ich glaube nicht, dass man das allein politisch nennen kann, das muss jemand sein, der sich wirklich aktiv mit dem, was Politik heute ist, und mit diesem Konstrukt auseinandersetzt und da versucht, Gas zu geben, und das bin ich definitiv nicht.

APA: Ihre Figur reist sehr naiv und ohne konkrete Vorstellungen zu Zensur und Machtgefüge nach Russland. Hatten Sie vor den Dreharbeiten ein konkretes Bild von dem Land und hat sich dieses geändert?

Bleibtreu: Ein genaues Bild hatte ich nicht, aber ich war öfters in Russland und habe dort gearbeitet, war in regelmäßigen Abständen immer wieder in Moskau und konnte die Entwicklung der Stadt ein bisschen verfolgen. Es ist ein sehr, sehr wilder, verschwenderischer, sehr wechselhafter Ort – du bist dort ganz reich oder ganz arm, und es liegt so nah beieinander wie nirgendwo sonst auf der Welt. Es ist ein blödes Klischee, aber: Es ist wie ein Tanz auf dem Vulkan. Die Stadt hat eine irre Energie, wobei du gar nicht richtig weißt, wo sie herkommt. Aber spätestens nach einer Zeit spürt man auch, dass man ganz schnell unter die Räder kommen kann. Es war für uns nie das Ding, einen exemplarischen Film über Russland oder russische Politik zu machen, es ging uns darum: Was kann dir als Individuum passieren, wenn du in einem totalitären Regime unter die Räder kommst. Und da bot sich Russland einfach an, auch im Sinne der Nähe von Deutschland zu Russland mittlerweile. Natürlich gibt es eine ganze Menge voll Länder, wo dir Vergleichbares passieren kann.

APA: Hat es bei den Dreharbeiten zum Film aufgrund seines kritischen Inhalts Probleme geben?

Bleibtreu: Wir haben kaum in Moskau gedreht, sondern in Kiew. Selbst da musst du ein Stück weit vorsichtig sein, weil die Ukraine zwar wie Weißrussland ein unabhängiges Land ist, aber so ganz unabhängig dann doch nicht. Wir mussten ein bisschen darauf achten, dass alle nicht zu genau wissen, was wir da machen. Nach Moskau geht man eh nicht, wenn man muss – die meisten Moskauer Filme, die es gibt, sind in Berlin, Prag, oder sonst wo gemacht.

(APA)
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