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Die Ursache der Unwetter-Katastrophe

Für Boku-Forscher Helmut Habersack u.a. zentral, beim Hochwasserschutz mehr Augenmerk auf Sicherheitskorridore zu legen.
Für Boku-Forscher Helmut Habersack u.a. zentral, beim Hochwasserschutz mehr Augenmerk auf Sicherheitskorridore zu legen. ©APA
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Seit der "Jahrhundertflut 2002" hat sich beim Hochwasserschutz viel getan und damit wurde aktuell einiges verhindert, beurteilte Hydrologe Helmut Habersack von der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien gegenüber der APA die derzeitige Lage: Trotz aller Schäden "sind wir mit einem blauen Auge davongekommen". Aber, da sei sich die Wissenschaft einig: "Es zeigt sich auch, dass der Klimawandel nun durchschlägt." Der Flächenverbrauch wirke obendrein als Beschleuniger.

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Klimawandel und Bodenverbrauch als Beschleuniger

Der Hydrologe rät zu einer "gründlichen Evaluierung und Aufnahme von Schäden und Mängeln", die durch die aktuellen Starkregenereignisse und hochwasserführenden Flüsse in Österreich entstanden und evident geworden sind, um für künftige Ereignisse zu lernen. "Und auch wenn es schon oft gesagt wurde, aber wir müssen den Flächenverbrauch drastisch verringern. Mit einem täglichen Verbrauch von 12,5 Hektar, die sich großteils an den Flüssen befinden, schaden wir uns doppelt: Wir beschleunigen und erhöhen wissenschaftlich nachweislich die Hochwasserwelle. Und wir vernachlässigen den Bodenschutz und die Bodenerhaltung, die in Zusammenhang mit dem Hochwasserschutz stehen."

Zudem führe der Klimawandel zu Wetterlagen mit größerem Anteil von Wasser in der Atmosphäre, was per se die Gefahr für Hochwasserereignisse erhöht. "Unser Flächenverbrauch wirkt hier dann nochmals als Beschleuniger", so der Experte. Gleichzeitig steige das Ausmaß des Schadens: "Es hat sich gezeigt, dass Maßnahmen des Hochwasserschutzes sehr gut wirken, aber hinter den technischen Maßnahmen wägen sich Menschen auch schnell in Sicherheit. Sie siedeln sich z.B. gleich hinter der Verbauung an." Sind die durch den Klimawandel mitgeprägten Hochwasserereignisse dann so stark, dass die meist auf ein hundertjährliches Ereignis ausgelegten Maßnahmen nicht ausreichen - Fachleute sprechen vom "Überlastfall" -, dann sei das Ausmaß des Schadens, trotz vorher getätigter hoher Investitionen in den Hochwasserschutz, gleich deutlich höher, erläuterte Habersack mit Verweis auf entsprechende Studien von Rückversicherungsunternehmen aus globaler Sicht.

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Hochwasserschutz weiterdenken

"Hochwasserschutz hat also viel Positives gebracht, es gibt aber auch Entwicklungen, die das konterkarieren", meinte Habersack. Ein Beispiel: Man müsse bei einer Dammführung künftig noch stärker darauf achten, was passiert, wenn der Überlastfall auftritt und etwa der Damm bricht. Es brauche mitunter, wie schon bei neuen Dämmen vorgesehen, gesicherte Überströmstrecken und sekundäre Präventionsmaßnahmen. "Man muss eventuell auch Flächen freihalten, die eigentlich durch primäre Maßnahmen geschützt sind." Hier brauche es mehr öffentliche Bewusstseinsbildung und eine angepasste Raumplanung.

Sind unsere Flüsse überreguliert?

"Wir müssen systematisch überprüfen, ob unsere Flüsse in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg nicht zu steil und eng reguliert worden sind." Die Flüsse seien großteils aus dem Gleichgewicht gekommen - aber es gehe weniger um "Rückbau", also ein Zurück ins 19. Jahrhundert, sondern um Planungsmaßnahmen, die aktiv und zukunftsweisend verschiedene Nutzungsinteressen, darunter auch die Landwirtschaft und Ökologie, mit Schutzaspekten kombinieren. Wichtig sei, die Flüsse resilienter gegen Hochwasser und Dürre zu entwickeln, sagte Habersack. So hofft der Forscher bei diesem Thema auf ein überparteiliches Vorgehen nach der Nationalratswahl und eventuell die Bildung einer Expertinnen- und Experten-Gruppe, die über die Weiterentwicklung integrativer, nachhaltiger Konzepte des Hochwasserrisikomanagements nachdenkt.

Auch künftig gehe es darum, Überflutungsflächen für den Fall einer Überschwemmung bereitzustellen. Zudem brauche es vermehrt Sicherheitskorridore, die im Fall von Überlastfällen Menschen und Infrastruktur schützen. "Man sollte hier zumindest die ein- bis dreifache Flussbreite, die man links und rechts vom Fluss ansetzt, veranschlagen. Hier sollten keine neuen Häuser stehen, keine neuen Straßen verlaufen, die Brückenbreiten bei Planungen entsprechend angepasst sein." Dort, wo dies einzuhalten möglich ist bzw. eine entsprechende künftige Flächenwidmung oder Bebauungsplanung dies zulässt, sei dieser Sicherheitsabstand jedenfalls einzuhalten, so Habersack.

(APA/VOL.AT)

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