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"Die Rosenkriege" als 7-Stunden-Marathon

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Stephan Kimmig inszeniert im Wiener Burgtheater vier Shakespeare-Königsdramen an einem Abend. Premiere ist am Donnerstag.

Bei Absolvierung von Theater-Marathons droht weniger den Lauf- als den Sitzmuskeln schmerzhafte Überanstrengung. Nach den siebeneinhalb Stunden von Ariane Mnouchkines “Les Ephemeres” und vor Ivo van Hoves sechsstündigen “Römischen Tragödien” von William Shakespeare (ab 6. Juni bei den Wiener Festwochen) gehen übermorgen, Donnerstag, “Die Rosenkriege” des Elisabethaners über die Bühne des Burgtheaters. Stephan Kimmig inszeniert alle drei Teile von “Heinrich VI.” sowie den anschließenden und häufiger gespielten “Richard III.”. Start ist um 17 Uhr, nach zwei Pausen ist mit dem Zielfinish erst gegen Mitternacht zu rechnen.

“Die Stücke sind zu Shakespeares Zeiten vermutlich nie zusammen gespielt worden”, erzählt Dramaturg Sebastian Huber. Weil aber die langsame Entwicklung der dynastischen Ränke zwischen den Familien der Lancasters und der Yorks stets faszinierte und eine Herausforderung darstellte, so gab es in der neueren Theatergeschichte immer wieder Versuche, nicht nur Ausschnitte, sondern auch Zusammenhänge auf die Bühne zu bringen. Anders jedoch als etwa Luk Percevals berühmt gewordene zwölfstündige “Schlachten!”, die 1999 bei den Salzburger Festspielen zu sehen waren und die acht Stücke umfassten, konzentriert man sich an der Burg auf die “York-Tetralogie”. “Historisch ist das die zweite Hälfte der Geschichte”, erläutert Huber im Gespräch mit der APA, “lustiger Weise sind es die früher geschriebenen Stücke. Es waren die ersten großen Erfolge des Dramatikers Shakespeare.”

Im Bühnenbild von Martin Zehetgruber werden achtzehn Schauspieler über sechzig verschiedene Rollen verkörpern. Im Zentrum stehen Philipp Hauß als Heinrich VI. und Nicholas Ofczarek als Richard III.. Huber: “Heinrich VI. und Richard III. sind im Grunde genommen zwei große Gegenentwürfe. Heinrich VI. ist quasi auf dem Thron geboren und war sechs Monate alt, als sein Vater starb. Er hat von Kindesbeinen an mit Macht zu tun. Sein Lernprozess ist der eines zunehmenden Ekels. Richard III. dagegen wird relativ weit weg vom Thron geboren und ist überdies behindert. Er entwickelt einen taktischen Furor und tut bald nichts anderes als die Köpfe zu zählen, die ihm noch im Weg stehen. Zwei, die von extrem unterschiedlichen Ausgangspositionen kommen, scheitern beide an der Machtproblematik.”

Neben den Fragen nach dem individuellen Umgang mit Macht sieht der Dramaturg, der zu Martin Kusej an das Residenztheater München wechseln wird, auch ein Gefühl für die schwindende Legitimität von Herrschaft und ein bürgerkriegsähnliches Machtvakuum in sich auflösenden Strukturen ähnlich dem Balkan oder dem Irak als heutige Aktualitätsbezüge. Albert Ostermaier hat die zuvor erstellte Burg-Strichfassung der “Heinrich VI.”-Dramen neu übersetzt, für “Richard III.” greift man auf die Übersetzung von Thomas Brasch zurück. “Diese Übersetzungen sind ganz gut kompatibel”, sagt Huber, “außerdem wird es auch im Bühnenbild einen klaren Bruch zwischen den beiden Teilen geben.” Hier wird auch angesetzt, wenn es im Herbst neben der Marathon-Fassung zwei Einzelteile geben wird. “Dann beginnen wir vielleicht um elf oder 15 Uhr, bieten aber sicher auch zwei separate Abende an”, kündigte Burg-Direktor Klaus Bachler an.

Dennoch sollte man sich das Ereignis in seiner Mammut-Version nicht entgehen lassen, nicht nur, weil der “Eindruck vom Erlebnis von Geschichte ein ganz anderer ist, wenn es auch seine Zeit in Anspruch nimmt”, sagt Huber: “Man weiß, dass solche Abende eine ganz eigene Welt, ein ganz eigenes Zeitgefühl produzieren können.” Regisseur Stephan Kimmig, der zuletzt in Wien Goethes “Torquato Tasso” inszenierte, scheint bei seinem Shakespeare-Debüt jedenfalls auf den Geschmack gekommen: Im Dezember inszeniert er “Macbeth” im Akademietheater.

Info:“Die Rosenkriege” von William Shakespeare, Deutsch von Albert Ostermaier und Thomas Brasch, Regie: Stephan Kimmig, Bühne: Martin Zehetgruber, Kostüme: Heide Kastler; Mit Philipp Hauß, Nicholas Ofczarek, Regina Fritsch, Dorothee Hartinger, Sabine Haupt, Johanna Wokalek, Daniel Jesch, Dietmar König, Michael König, Juergen Maurer, Johann Adam Oest, Martin Reinke, Martin Schwab u.v.a.; Burgtheater, Premiere: 29.5., 17 Uhr, Weitere Aufführungen: 31.5., 3., 4.6., 17 Uhr, 1.6., 16 Uhr; Karten: 01 / 514 44 – 4140, http://www.burgtheater.at

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