Der elfjährige Joseph Weismann (Hugo Leverdez) tobt mit seinen Freunden durch die Straßen in Montmartre, jenem Pariser Viertel rund um die Basilika Sacre Coeur. Seit ein paar Tagen müssen sie einen Judenstern tragen, doch ihrer Fröhlichkeit tut das keinen Abbruch. Erst als in der Nacht vom 16. Juli französische Polizisten brutal in ihre Häuser eindringen und sie in die Radsporthalle Velodrome d’hiver abtransportieren, wird den Kindern klar, dass irgendetwas nicht stimmt.
Die sogenannte Razzia der Pariser Winter-Radrennbahn wurde erstmals 1976 in einem Film verarbeitet. “Monsieur Klein” von Regisseur Joseph Losey wurde zu großen Teilen an Originalschauplätzen gedreht und gewann u.a. den französischen Filmpreis Cesar für den besten Film. Auch “Die Kinder von Paris” lieft nach seinem Start äußerst erfolgreich. Grund für den Erfolg ist wohl auch die Authentizität. Bosch machte einen Überlebenden ausfindig, der bei der Razzia dabei war, und dem danach die Flucht aus dem KZ gelang. Die Eckpunkte seiner Geschichte verwendete sie für das Drehbuch und ihn selbst machte sie zur Hauptfigur: Joseph Weismann.
Der Film versucht, aus der Kinderperspektive zu erzählen, doch dieser Blick gelingt nicht immer. Das Ausmaß des Schreckens, den die jüdischen Familien bei dieser Aktion erleben mussten, wird aber so oder so deutlich. 7.000 Juden werden in das Stadion gepfercht; die sanitären Verhältnisse sind ein Skandal, es gibt kein Trinkwasser, nichts zu essen. Aber Josephs Vater bleibt optimistisch: “Wir sind noch zusammen, und wir sind noch in Frankreich.”
Im Stadion tritt auch Jean Reno auf den Plan, er spielt Dr. Sheinbaum und kümmert sich um die Kranken. Es ist ein sanfter und gebrochener Reno, der in “Die Kinder von Paris” auftritt. Kein Wunder, schließlich ist auch der Arzt Jude und seine Zukunft ungewiss. Die charakterstarke Krankenschwester Anette (Melanie Laurent) agiert an Renos Seite. Als die Juden nach fünf Tagen zu einem Transitlager südlich von Paris abtransportiert werden, wird Anette zur zentralen Figur. Sie begleitet die Kinder und verlässt sie auch im Lager nicht; ja sie geht sogar soweit, nur jene Essensrationen zu verzehren, die auch die Kinder bekommen – um zu beweisen, dass das viel zu wenig ist. Die Krankenschwester opfert sich auf, wird immer schwächer und kränker, ihr Charakter jedoch immer stärker. Dass die Kinder schließlich “in den Osten” transportiert werden sollen, kann sie kaum fassen.
“Wir sind doch viel zu viele, der Aufwand wäre zu groß”, sinnierte Josephs Vater noch im Stadion. Wie unrecht er damit haben sollte. Von den 13.152 verhafteten Juden kehrten nach Kriegsende nur 25 Erwachsene zurück. Alle 4.051 Kinder starben. Obwohl Bosch nur in wenigen Szenen rohe Gewalt zeigt, wird die Grausamkeit im Film deutlich. Es ist die subtile Gewalt, die hier schockiert. Etwa wenn die Kinder beim Abtransport von ihren Eltern getrennt werden – für immer. Die Abschiedsszenen sind tragisch, die getragene Geigenmusik drückt noch zusätzlich auf die Tränendrüse. “Die Kinder von Paris” bringt zwar nicht unbedingt eine neue Perspektive in die Thematik, die historische Realität schockiert aber auch so. (APA/Eva Lugbauer)