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Die Entführung des Michel Houellebecq - Trailer und Kritik zum Film

"Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott" erreichte 2010 220.000 Kinobesucher in Österreich. Dass "Die Entführung des Michel Houellebecq" ähnlich erfolgreich sein wird, ist zu bezweifeln.

Ein seriöser Anwärter auf den bizarrsten Film des Jahres ist der Streifen von Guillaume Nicloux jedenfalls. Am 30. Mai werden Regisseur und Hauptdarsteller zur Premiere im Wiener Stadtkino erwartet.

Die Entführung des Michel Houellebecq: Geschichte

Michel Houellebecq spielt Michel Houellebecq. Das bringt einiges an Erwartungen mit sich, gilt der 58-jährige Autor doch als das enfant terrible der französischen Literatur schlechthin, als ruppiger, kratzbürstiger, misanthropischer Typ, der sich kettenrauchend, Rotwein trinkend und vor sich hin nuschelnd wenig aus seinen Mitmenschen macht. In der Rolle des Schriftstellers Houellebecq widerlegt der Schauspieler Houellebecq diese Vorurteile keineswegs. Im Gegenteil: Es erschreckt einen, wie verwahrlost und gealtert der Literaturstar wirkt. Ob er dabei seine Lebensrolle lustvoll variiert oder ganz unverstellt die Leinwand füllt, ist eines der Geheimnisse des Films, der beim Tribeca Film Festival in New York ausgezeichnet wurde und bei der Berlinale Aufsehen erregte. Eines ist jedoch unübersehbar: Die Rolle macht Houellebecq Spaß.

Der Film spielt mit einem Gerücht, das im September 2011 die Runde machte, als Houellebecq für einige Zeit unauffindbar war statt eine Lesereise für seinen Roman “Karte und Gebiet” zu absolvieren: Der umstrittene Starautor sei Opfer einer Entführung geworden, wurde da gemutmaßt, womöglich gar durch Al-Kaida? Tatsächlich nimmt der Film, der zuvor mit dokumentarischer Anmutung vom unspektakulären Alltag des Autors erzählt, nach wenigen Minuten eine dramatische Wendung: Von drei Männern wird er beim Aufsperren seiner Wohnung überwältigt, gefesselt und geknebelt und bald darauf in einer Kiste abtransportiert.

Zum Krimi wird “Die Entführung des Michel Houellebecq” dadurch allerdings noch lange nicht. Stattdessen entwickelt sich ein geradezu gemütliches Home-Movie mit zunehmend bizarren Qualitäten. Nicht nur zeigt sich das Entführungsopfer mehr geschmeichelt als überrascht und auch trotz Handschellen nicht gewillt, eine Opferrolle anzunehmen, auch entpuppt sich die ganze Aktion als Family Business, an der sich buchstäblich alle Familienmitglieder beteiligen: zwei harte Jungs mit weichem Kern, ihr korpulenter Bruder, offensichtlich Mastermind des Coups, sowie die fürsorglichen Eltern der Ganoven, in deren Haus irgendwo in der ländlichen Einöde der Autor gefangen gehalten wird.

Die Entführung des Michel Houellebecq: Kritik

Auf Maskierung verzichtet die skurrile Gang, die mit ihrem Entführten am Küchentisch bald angeregte Gespräche über Gott und die Welt, Literatur und Politik führt, mit dem schmächtigen Mann eine kleine Übungsstunde in Martial Arts absolviert und ihn mit reichlich Alkohol und Nikotin versorgt. In den Fernsehkrimis bedeute dies meist nichts Gutes und deute auf die bald bevorstehende Ermordung des Opfers hin, gibt Houellebecq zu bedenken. Ach was, er sehe zu viele Krimis, meinen die Entführer gönnerhaft. Und bestellen ihm nicht nur einen Arzt, um seinen chronischen Ohrenschmerzen auf den Grund zu kommen, sondern auch eine Prostituierte, mit der er eine entspannte Geburtstagsnacht verbringen darf.

Sicher, “Die Entführung des Michel Houellebecq” hat ihre Längen. Aber nach etwas mehr als einer Stunde entscheidet sich der Film endgültig für die Komödie. Immer bizarrer werden die Situationen und die Dialoge. Der ständig mit Handschellen gefesselte Autor versucht im Dauerkampf um die Überlassung eines Feuerzeugs die Mutter mit selbst geschriebenen Gedichten zu bestechen und erhält daraufhin Belehrungen, doch darin bitte nicht die echte Namen der Entführer zu verwenden. Er erzählt, wie er alkoholabhängig wurde (bei einer Literaturpreisverleihung gab’s Wein – und schon war’s um ihn geschehen) und warum er seine Zigarette so seltsam hält (weil er sich beim Basketballspielen die Finger gebrochen hat).

Man versteht, dass allen Beteiligten am Ende der Abschied schwer fällt. Ein Anwalt taucht auf, erkundigt sich mitfühlend nach Houellebecqs Wohlergehen (ein bisschen mehr Bewegung täte gut, aber sonst alles bestens, Danke der Nachfrage) und gibt bekannt, sein Klient werde sich zur Zahlung eines Lösegelds entschließen. Wer dieser Klient sei, möchte der Entführte verständlicherweise gerne wissen. Kein Kommentar. Nur so viel: Francois Hollande ist es nicht. “Sie werden uns fehlen!”, versichert die Mutter und gibt dem Gast noch eine Flasche vom besten Schnaps mit in die Freiheit. “Bis bald!”, heißt es allseits. Auf der Autobahn ist die Entführung zu Ende, aber noch nicht Schluss mit den Überraschungen. Houellebecq darf vom Entführer das Lenkrad übernehmen und zeigt sich vom schicken Neuwagen beeindruckt. “Er gehört Ihnen!”, bekommt er zur Antwort. “Das ist Ihr Anteil!”

(APA)

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