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Die Angst der Bevölkerung: "nicht einmischen"

Leicht auffälliges Verhalten, ein merkwürdiger Eindruck, eine "komische" Familie - Die ersten Hinweise auf Missstände und schreckliche Schicksale bleiben meist unentdeckt, weil die Umgebung sie nicht richtig wahrnimmt.

Der Großteil der Bevölkerung habe einfach Angst davor, sich einzumischen, erklärte Psychoanalytikerin Rotraud A. Perner. Es sei daher dringend notwendig, den Umgang mit solchen Beobachtungen zu ändern und unbürokratische Stellen für Präventionsmanagement einzurichten.

Trugschluss: “Man kann eh nichts machen”

“Es hat eh keinen Sinn hinzusehen, man kann eh nichts machen” – Dies ist laut Perner die gängige Einstellung der heutigen Zeit. “Man kann aber was machen”, betonte sie. Dafür brauche es völlig neue Formen des Umgangs mit Tabu-Themen, Verwahrlosung, häuslicher Gewalt oder auch psychischen Auffälligkeiten. Dafür sei eine soziale Unterstützung in Form eines Präventionsmanagements notwendig, das die Bedürfnisse der Bevölkerung erkenne und diesen gerecht werde.

Menschen mit gutem psychologischen und juristischen Know-How – ähnlich Sozialarbeitern – sollten sich um dieses Anliegen bemühen, meinte Perner. Die Anlaufstelle sollte als “Zwischenstation” ermöglichen, dass Menschen mit ihren Beobachtungen nicht gleich direkt zur Polizei gehen müssten. Denn gerade bei Gewalttätern spiele Angst-Ausübung gegenüber Opfern und Außenstehenden eine große Rolle.

Zweifel und Sorge

Als Beispiel nannte die Psychoanalytikerin die Zwangslage einer Lehrerin, die gegen einen Missbrauchsverdacht gegen den Vater einer Schülerin nur schwer etwas unternehmen konnte. Für den Gang zum Jugendamt gab es laut Perner zuwenige Anhaltspunkte, Gespräche mit dem Vater führten zu Klagedrohungen gegen die Pädagogin. In solchen Fälle sollte und könnte eine unbürokratische Zwischenstelle aktiv werden.

Notwendig sei es auf kommunaler Ebene, eine Anlaufstelle zu schaffen, die sich bereits um Kleinigkeiten kümmere, forderte Perner. Im Prinzip gehe es darum, Strukturen für ein Gemeinwesen zu erarbeiten. Die Wahrnehmung müsse so verändert werden, dass die Augen vor Missständen nicht mehr verschlossen werden können oder müssen.

Watch Out – and get involved

Cases like the Case F. of Amstetten remain unseen for so long because people shy away from meddling with the affairs of others. It is often said that there was no way to change things; those who look more closely are frightened away with threats, legally or otherwise.

The only way to change this climate is by creating a culture of open eyes, says psychoanalyst Rotraud Perner. People need to take charge, be interested. And people need someone they can inform without bureaucratic hurdles, someone on a communal level. Our culture needs open doors, easy ways of contacting each other and openness of mind.

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