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Deutschland: Vorgezogene Neuwahl

Politischen Paukenschlag des deutschen Bundeskanzlers Schröder und seiner SPD nach der verheerenden Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen: Schröder kündigte schon für Herbst vorgezogene Bundestagswahlen an.

Durch das Ergebnis im bevölkerungsreichsten Bundesland sei die notwendige Zustimmung der Deutschen zur Reformpolitik seiner Regierung in Frage gestellt, sagte Schröder. Die CDU hatte die SPD im „roten Stammland“ erstmals seit 39 Jahren überrundet, womit die letzte rot-grüne Landesregierung in Deutschland gefallen ist.

„Für die aus meiner Sicht notwendige Fortsetzung der Reformen halte ich eine klare Unterstützung durch die Mehrheit der Deutschen für unabdingbar“, sagte Schröder, der sich nach Angaben von Regierungssprecher Bela Anda auch selbst erneut zur Wahl stellen will. Er betrachte es „als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland als meine Pflicht und Verantwortung“, Bundespräsident Horst Köhler aufzufordern, „von den Möglichkeiten des Grundgesetzes Gebrauch zu machen und Neuwahlen herbeizuführen“.

SPD-Chef Franz Müntefering hatte die politische Bombe bereits eine halbe Stunde nach Wahlschluss in Nordrhein-Westfalen platzen lassen. Er kündigte an, mit Neuwahlen das „strukturelle Patt“ zwischen rot-grüner Mehrheit im Bundestag und der oppositionellen Mehrheit im Bundesrat aufheben zu wollen. „Wir suchen die Entscheidung.“ Die Menschen sollten sagen, „von wem sie regiert werden wollen“. Regulär würde die nächste Bundestagswahl im Herbst 2006 stattfinden.

Bei der Landtagswahl stürzte die SPD Hochrechnungen zufolge auf 37,0 bis 37,1 Prozent der Stimmen ab (im Jahr 2000: 42,8 Prozent). Die CDU erhielt demnach 44,9 bis 45,2 Prozent (2000: 37 Prozent) . Die Grünen erhielten demnach 6,1 Prozent (2000: 7,1 Prozent), die FDP je nach Hochrechnung 6,1 bis 6,3 Prozent (2000: 9,8 Prozent). Alle übrigen Parteien scheiterten an der Fünf-Prozent-Klausel.

Im neuen Landtag wurden der CDU 86 bis 87 Mandate vorhergesagt, der SPD 71, den Grünen elf bis zwölf und der FDP zwölf. Damit verfügen CDU und FDP zusammen über eine klare absolute Mehrheit. Die erstmals angetretene Linkspartei WASG, die von SPD-Linksabweichlern mitgegründet wurde, verfehlte mit zwei Prozent klar den Einzug in den Landtag.

CDU-Chefin Angela Merkel begrüßte die Neuwahlpläne. Es wurde erwartet, dass sie schon am Montag von den CDU-Gremien als Kanzlerkandidatin nominiert wird. Dies ließ der hessische Ministerpräsident Roland Koch durchblicken. Merkel äußerte sich am Wahlabend zu ihrer eigenen Kandidatur zunächst zurückhaltend. Sie sei „mit Sicherheit nicht geschwächt“, fügte sie hinzu.

CSU-Chef Edmund Stoiber sagte in München: „Jeder Tag, an dem Rot-Grün nicht mehr in Berlin die Richtlinien der Politik bestimmt, ist ein guter Tag für Deutschland.“ Er kündigte mit Blick auf die Frage der Kanzlerkandidatur an, dass die Unionsparteien noch offene „inhaltliche und personelle Fragen“ rasch und harmonisch klären würden.

„Rot-Grün hat aufgegeben“, sagte FDP-Chef Guido Westerwelle. Dagegen kündigte Grünen-Parteivorsitzende Claudia Roth für ihre Partei eine noch nie dagewesene Mobilisierung an. Anders als die CDU hätten die Grünen „auf schwierige Fragen gute Antworten“, äußerte sie sich optimistisch. Der Grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele übte jedoch ebenso wie SPD-Link Willi Brase Kritik an den Neuwahlplänen. Sie forderten stattdessen eine sozialere Politik.

Die PDS begrüßte dagegen die Ankündigung Schröders. Ihr Chef Lothar Bisky zeigte sich zuversichtlich, dass seine Partei nach dem Scheitern im Jahr 2002 den Wiedereinzug in den Bundestag schaffen wird.

Vorgezogene Bundestagswahlen kann es in Deutschland nur geben, wenn der Kanzler im Parlament die Vertrauensfrage stellt und keine Mehrheit findet. Dann kann der Bundespräsident innerhalb von 21 Tagen Neuwahlen ansetzen. Bisher gab es dies in der Bundesrepublik erst im Jahr 1982, nach dem fliegenden Koalitionswechsel der FDP von SPD zu CDU.

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