Deutschland: Neuer Skandal bei Siemens
In der Affäre um mögliche verdeckte Millionenzahlungen an die unabhängige deutsche Gewerkschaft AUB nahm die Nürnberger Staatsanwaltschaft bei einer Razzia an mehreren Konzernstandorten den Leiter des Siemens-Europageschäfts, Johannes Feldmayer, fest.
Offiziell ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Feldmayer und weitere Siemens-Mitarbeiter nach eigenen Angaben wegen Verdachts der Untreue zum Nachteil des Konzerns. Im Raum steht jedoch der Verdacht, dass Siemens über Jahre hinweg die als arbeitgeberfreundlich geltende AUB als Konkurrenz zur IG Metall mit Millionenzahlungen verdeckt mitfinanziert haben könnte. Die Nürnberger Staatsanwaltschaft hatte den AUB-Gründer und Bundesvorsitzenden Wilhelm S. bereits Mitte Februar festgenommen.
Zuvor hatten offenbar Steuerfahnder Verdacht bei den Geschäften des auch als Unternehmensberater tätigen Gewerkschaftsbosses geschöpft. Der ehemalige Siemensbetriebsrat soll mindestens 14,7 Millionen Euro von Siemens überwiesen bekommen haben, ohne dass jemals Gegenleistungen für die Honorare nachgewiesen werden konnten.
Die Nürnberger Staatsanwaltschaft hielt sich am Dienstag mit Details zu den Ermittlungen bedeckt. Die Behörde bestätigte lediglich eine Festnahme und die Ermittlungen gegen mehrere weitere Konzernmitarbeiter, die für Zahlungen an das Unternehmen des AUB-Gründers mitverantwortlich sein sollen. Mit Rücksicht auf die laufenden Ermittlungen können derzeit keine weiteren Auskünfte erteilt werden, sagte Justizsprecher Andreas Quentin. Siemens bestätigte, dass der festgenommene Konzernmanager Feldmayer den Vertrag mit der Unternehmensberatungsfirma des AUB-Chefs im Jahr 2001 unterschrieben hatte.
Wilhelm S. hatte als früherer Betriebsrat am Siemens-Standort Erlangen zusammen mit weitern Mitstreitern 1986 die AUB als Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Betriebsangehöriger in Konkurrenz zur IG Metall gegründet. Beide Arbeitnehmerorganisationen lieferten sich seitdem heftige Kämpfe. So warf die AUB der IG Metall ideologische Verblendung vor, die DGB-Gewerkschaft bezichtigte die unabhängige Konkurrenz im Gegenzug als von der Arbeitgeberseite ferngesteuert.
Vor Bekanntwerden der Affäre stellte die AUB nach eigenen Angaben zehn Prozent aller Betriebsräte in deutschen Unternehmen und ist quer durch alle Branchen in 3.900 deutschen Betrieben vertreten. Bei Siemens gelang es der Arbeitnehmervertretung sogar, bei Betriebsratswahlen in einzelnen Werken die Mehrheit zu erobern.
Allerdings geriet AUB-Gründer S. mit seinen beiden Funktionen als Gewerkschaftschef und privater Unternehmer schon vor seiner Verhaftung wiederholt in die Kritik. So machte er sich nach der Zeit als Siemens-Betriebsrat als Unternehmensberater selbstständig und pflegte vor allem mit seinem früheren Arbeitgeber enge Geschäftsbeziehungen, behielt jedoch immer den AUB-Vorsitz. Unter anderem organisierte er mit seinen Firmen für Siemens neben Beratungsaufgaben, Mitarbeiterschulungen und Trainingsmaßnahmen.
Und als vor gut vier Jahren in Greifswald ein Werk der angeschlagenen Siemens-Netzwerksparte ICN vom Aus bedroht war, betrieb die AUB ein so genanntes Outsourcing zum Erhalt der über 300 Arbeitsplätze. Dabei übernahm der AUB-Chef persönlich 46 Prozent der Anteile an der ausgegründeten Firma als Haupteigner und Siemens blieb Minderheitsgesellschafter.
Der von Feldmayer vor sechs Jahren mit der Unternehmensberatungsfirma des AUB-Gründers geschlossene Vertrag fiel nach Siemens-Angaben bereits im Jahr 2005 bei einer internen Kontrolle auf. Die Unternehmensrevision habe daraufhin von S. eine detaillierte Aufstellung mit Nachweisen über seine erbrachten Gegenleistungen gefordert. Dies sei innerhalb einer gesetzten Frist nicht in gewünschter Form geschehen, worauf Siemens den Vertrag Ende 2006 fristlos gekündigt habe.
Allerdings war es nicht der Konzern, der die Staatsanwaltschaft einschaltete. Die Ermittler kamen den Siemens-Verträgen nach eigenen Recherchen auf die Spur. Die Nürnberger Justiz will sich mit näheren Angaben noch Zeit lassen. Dann aber gebe es voraussichtlich einiges zu berichten, ist aus Justizkreisen zu hören.