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Deutsches Grundsatzurteil "Schlag in Kristallkugel" von Wahrsagern

Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat dem lukrativen Treiben von Kartenlegern und Sternendeutern einen empfindlichen Schlag versetzt.
Haben Opfer leichtgläubig oder in einer schwierigen Lebenssituationen Honorarverträge geschlossen, können sie die Gelder wegen Sittenwidrigkeit zurückfordern, urteilte das Gericht am Donnerstag in Karlsruhe in einer Grundsatzentscheidung.

Die gewerbliche Hilfe selbst ernannter Magier, Astrologen und Kaffeesatzleser ist ein gutes Geschäft. Das Stichwort “Kartenlegen” in der Suchmaschine Google führt zu über 200.000 Treffern, darunter viele esoterische Beratungsangebote. Kunden können wählen, ob ihre Zukunft mit Skatkarten oder im Kaffeesatz gelesen werden soll. Aber auch das Befragen von Engeln oder “Jenseitskontakte” sind im Angebot.

Wenn einsame oder verängstigte Menschen über Astro-Hotlines, bei Kartenlegern und anderen Wahrsagern nach Hilfe suchen, kann sich daraus eine Art Sucht entwickeln, sagte Ute Bange, Psychologin bei der Beratungsstelle Sekten-Info Nordrhein-Westfalen. Sie berät bis zu hundert Opfer im Jahr und berichtet von Menschen, die keinen Tag beginnen und keine Entscheidung mehr fällen konnten, ohne zuvor ihre Wahrsagerin zu konsultieren.

Dies gilt auch für den nun vom BGH entschiedenen Fall: Den Unternehmer hatte die Trennung von seiner Freundin so sehr aus der Bahn geworfen, dass er eine Kartenlegerin aufsuchte, die ihm eine “Partnerrückführung” versprach. “Der Mann richtete dann über Monate hin sein Leben immer mehr auf die Ratschläge der Frau aus und griff wie ein Schwerstkranker nach jedem Strohhalm, den sie im anbot”, sagte Helga Lerchenmüller, Juristin der Stuttgarter Verbraucherberatung “Aktion Bildungsinformation”. Im Gegenzug kassierte die Kartenlegerin mehr als 35.000 Euro und klagte vor Gericht, als ihr Opfer ein weiteres Honorar von knapp 7.000 Euro nicht mehr zahlen wollte.

Lerchenmüller freut es, dass der BGH die Rückzahlung von Honoraren für den “Einsatz magischer Kräfte” ermöglicht, wenn die psychische Not der Betroffenen ausgebeutet wurde. Eine große Zahl kommerzieller Lebensberater betreibe aber “offenen Missbrauch”, dem solle der Gesetzgeber etwa mit der Verpflichtung zu einer psychologischen Ausbildung und dem Schutz der Berufsbezeichnung Einhalt gebieten, meint sie.

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