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Deutsche Bahn zieht Notbremse: Neue Preise

“Änderungen frühestens nach einem Jahr“, hieß es bisher stets von der Bahn zum neuen Preissystem. Doch nach einer Flut von Beschwerden will sich der Konzern nun den Forderungen von Kunden nachbessern.

Nach dem Chaos mit dem neuen Preissystem und hohen Verlusten im ersten Quartal zieht die Deutsche Bahn die Notbremse: Das Unternehmen entlässt zwei Vorstände und bessert sein umstrittenes Tarifwerk nach. Als Sofortmaßnahme werden die hohen Stornogebühren bei Frühbuchertickets reduziert. Außerdem wird das von Bahnchef Hartmut Mehdorn lange vehement verteidigte Preissystem schon rund ein halbes Jahr nach Einführung auf den Prüfstand gestellt. Mehdorns Vertrag wurde trotz wachsender Kritik auch in der rot-grünen Koalition über das Jahr 2004 hinaus vorzeitig bis 2008 verlängert.

Wie die Bahn am Dienstag nach einer Aufsichtsratssitzung des bundeseigenen Unternehmens in Berlin mitteilte, werden der für den Personenverkehr zuständige Bahnvorstand Christoph Franz und der Marketing-Vorstand Hans-Gustav Koch entlassen. Beide waren maßgeblich für das Ende 2002 gestartete Preissystem verantwortlich. Mit der Verlängerung von Mehdorns Vertrag stärkt die deutsche Regierung dem Bahnchef ungeachtet der jüngsten Sanierungsrückschläge und des anhaltenden Imageverlustes demonstrativ den Rücken. Mehdorn führt die Bahn seit 1999 und will sie bis 2005 börsenfähig machen. Für Mehdorn war zuvor auch eine Vertragsverlängerung bis 2009 im Gespräch gewesen.

Der deutsche Verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) nannte Mehdorn den „richtigen Mann am richtigen Platz“. „Das war kein Opfer, sondern eine klare Entscheidung über die Verantwortlichkeiten“, sagte Stolpe zum Rauswurf der beiden Manager. Mehdorn müsse sich vor allem um die Wirtschaftlichkeit sorgen und das Unternehmen – wenn irgend möglich – an die Börse führen. Der Zeitpunkt dafür sei kein Dogma. Er hänge von der wirtschaftlichen Situation der Bahn sowie der Börsenlage ab.

Mehdorn begründete die Entlassung seiner Vorstandskollegen mit „unterschiedlichen Auffassungen darüber, wie den konjunkturell bedingten Schwierigkeiten und der mangelnden Akzeptanz einzelner Elemente des neuen Preissystems im Personenfernverkehr begegnet werden soll“. Zu Mehdorns Vertragsverlängerung hieß es, Aufsichtsrat und der Eigentümer seien sich einig, dass die Bahn in dem derzeit für alle Unternehmen schwierigen Umfeld langfristige Verlässlichkeit an der Unternehmensspitze brauche.

Die Opposition bezeichnete die Entlassung der Vorstände als ein „Bauernopfer“. Mehdorn sei der Hauptverantwortliche für die „katastrophale Lage“ der Bahn. Die Vertragsverlängerung sei ein „Treppenwitz“, erklärte der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Horst Friedrich. Albert Schmidt von den Grünen sagte dagegen im Inforadio Berlin-Brandenburg, wenn im Personenverkehr Defizite auftreten, dann müssten natürlich die verantwortlichen Vorstände gerade stehen. Nachfolger von Franz soll Technik-Vorstand Karl-Friedrich Rausch werden.

Das Ticketsystem steht seit seiner Einführung im Dezember 2002 in der Kritik von Gewerkschaften, Verbänden, Politikern und Kunden. Insbesondere die Auflagen bei den Rabatten für Frühbucher und die Umtauschgebühren sind umstritten. Die Bahn will als Sofortmaßnahme nun die hohe Stornogebühr bei Frühbuchertickets durch eine einheitliche Gebühr ersetzen. Bereits von diesem Mittwoch an sollen statt einer Umtauschgebühr von bis zu 45 Euro einheitlich 15 Euro erhoben werden.

Zu der Änderung habe sich die Bahn entschieden, obwohl nur rund ein Prozent der Plan&Spar-Kunden von den Umtauschgebühren betroffen seien. „Die öffentliche Fixierung allein auf die höchste Umtauschgebühr von 45 Euro, die nur am Geltungstag des Tickets erhoben wird, hat leider zu einer abschreckenden Wirkung auf die gesamten Plan&Spar-Preise geführt“, erklärte Mehdorn. Der Bahn-Chef kündigte zugleich an, dass die neue Führung im Personenverkehr Elemente des neuen Preissystems „noch einmal genau auf ihre Kundenwirkung“ prüfe. Sollten Änderungen nötig sein, würden diese vorgenommen. In Bahnkreisen wird sogar eine Abschaffung der neuen Angebote nicht mehr ausgeschlossen. Die Analyse könnte am Ende das Aus für das jetzige System bedeuten.

Stolpe erklärte: „Ich bin der Meinung, dass sich die Bahn mit dem Preissystem verkalkuliert hat.“ Es bestehe jetzt die Chance, „aus den monatelangen und unerquicklichen Diskussionen herauszukommen“. Die Bahn sollte sich bei Änderungen Zeit nehmen, um das Preissystem dann “überzeugend darzustellen“ und haltbar zu machen.

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