Derzeit rund 50 potentielle Attentäter in Wien bekannt

Der Terrorexperte Peter Neumann sieht den "globalen Jihadimus in der Defensive, aber (noch) nicht besiegt". Wie er in einer Veranstaltung zur Präsentation des Forschungsprojekts EUTEx, das sich die Prävention von Terroranschlägen zum Ziel setzt, am Montag in Wien ausführte, habe es etwa im Jahr 2015 17 islamistische Anschläge gegeben mit insgesamt 100 Toten. 2019 waren es 21 Attacken, die zehn Menschen töteten.
Islamistische Anschläge nun eher durch Einzeltäter
Die Täter seien nun mehr Einzeltäter. Dank der Arbeit der Sicherheitsbehörden sei es nämlich schwieriger, sich zu organisieren. Einzeltäter hätten eine geringere Opferbilanz, so der am Londoner King's College tätige Forscher. Weitere Gründe für die sinkende Bedeutung des Jihadismus in Europa sei, dass die Idee des Kalifats in Syrien und Irak gescheitert und deswegen nicht mehr so attraktiv sei. Der "Islamische Staat" habe seine Propaganda stark reduziert. Andere Terrororganisationen wie regionale Zweige der Al-Kaida seien weniger in Europa engagiert. Allerdings gebe es etwa in Afrika viele Konflikte, in denen jihadistische Gruppen involviert seien. "Jihadismus ist nicht weggegangen, aber eine weit geringere Gefahr für Europa."
Rund 50 islamistische Gefährder befinden sich derzeit in Wien
Laut Deradikalisierungsverein Derad befinden sich aktuell allein in Wien rund 50 islamistische Gefährder. "Jeder von ihnen ist potenziell in der Lage einen Anschlag zu verüben", warnte die NGO.
Einzeltäter seien nicht immer "einsame Wölfe", betonte Neumann weiter. Diese Zuschreibung treffe etwa auf den norwegischen Terroristen Anders Breivik zu. Andere Einzeltäter hätten sich aber durchaus in der Gemeinschaft radikalisiert wie etwa der Attentäter von Wien, auch wenn sie die Tat dann allein verüben. Oder es gebe Terroristen, die sich Applaus für ihre Taten erwarten und gar nicht einsam sind.
Konspirativen Theorien als weitere Gefahr
Eine weitere Gefahr sei die Verbreitung von konspirativen Theorien. Einer Studie des King's College aus Großbritannien zufolge glauben rund ein Drittel der Briten diesen Theorien, die sie meist aus "alternativen Medien" beziehen, berichtete der Experte. 15 Prozent von ihnen sei der Meinung, dass in manchen Fällen auch Gewalt gerechtfertigt sei. Neumann nannte diese Zahl "schockierend" und ging davon aus, dass die Ergebnisse auch auf andere Länder umgelegt werden können. "Wir werden mehr aktive Gewalt in diesem Bereich sehen", prophezeite er.
Weniger Gefahr als prophezeit scheint derzeit von Rückkehrern auszugehen, die im Jihad in Syrien und im Irak gekämpft haben, meinte Neumann. Diese Gruppe müsse aber beobachtet werden. Viele Europäer seien noch in Camps dort, vor allem Frauen. Je länger sie bleiben, desto größer sieht der Experte die Gefahr einer Verfestigung radikaler Ideologien.
Projekts EUTEx zur Prävention von Terroranschlägen in Wien
Das Forschungsprojekt EUTEx wurde 2022 ins Leben gerufen, um Terroranschläge zu verhindern. Unter der Leitung von Daniela Pisoiu vom Österreichischen Institut für Internationale Politik (oiip) in Wien und in Zusammenarbeit mit dem Justizministerium, den Vereinen Neustart und Scenor und internationalen Partnern wurde ein europäisches Konzept für extremistische bzw. terroristische Straftäter und Straftäterinnen in Gefängnissen entwickelt.
25 Teilnehmer - Experten wie Sozialarbeiter, Psychologen - aus zehn Ländern haben drei Monate lang an dem Projekt teilgenommen. "Nur durch systematische und wirksame Methoden können wir sicherstellen, dass verurteilte gewalttätige Extremisten und Terroristen der Gesellschaft keinen Schaden mehr zufügen", sagte Pisoiu. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) betonte die Bedeutung des Projekts. "Jeder Mensch, dem wir bei der Wiedereingliederung in unsere Gesellschaft helfen können, ist ein Sieg gegen den Extremismus", sagte sie.
(APA/Red)