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Der Tod kam aus den Bergen

Die Katastrophe kam in der Nacht ohne Vorwarnung aus den Bergen: Eine gigantische Schnee- und Schlammlawine hat im russischen Teil des Kaukasusgebirges eine Spur der Verwüstung gezogen und bis zu 100 Menschen mit sich gerissen. Das Bergdorf Nischni Karmadon mit mehr als 20 Häusern wurde unter der meterhohen Lawine begraben. „Es gibt nur noch wenig Hoffnung, dass im Dorf jemand überlebt hat“, sagte der Präsident der Teilrepublik Nordossetien, Alexander Dsasochow, am Samstag. Nach vorläufigen Schätzungen sollen mindestens 30 Menschen ums Leben gekommen sein.

Im Tal staute sich die Lawine aus Schnee, Matsch und entwurzelten Bäumen teilweise 90 Meter hoch. Bis zum Samstagnachmittag wurden 15 als vermisst gemeldete Menschen lebend gefunden. Mit einfachsten Hilfsmitteln wie Spaten oder Eispickeln suchten Rettungskräfte im Katastrophengebiet nach Überlebenden. Eine erste Schadens- und Opferbilanz der Katastrophe sollte nach Angaben der Behörden frühestens am Sonntagabend gezogen werden.

Der russische Präsident Wladimir Putin zeigte sich in der 1500 Kilometer entfernten Hauptstadt Moskau erschüttert. „Das ist eine große Tragödie in Nordossetien. Ich kann mich an keine so schwere Katastrophe erinnern“, sagte Putin. Der Kreml kündigte umfassende Hilfen für die Teilrepublik an, die seit Jahren unter dem Krieg im benachbarten Tschetschenien leidet.

Die Schneelawine wog nach Schätzungen mehrere hundert Millionen Tonnen und erstreckte sich über eine Länge von sieben bis acht Kilometern – es wurde nicht ausgeschlossen, dass ein Teil eines Gletschers abgerutscht war. Vielerorts war die gefrorene Masse hart wie Beton. Alle Zufahrtswege in das Tal an der Grenze zu Georgien blieben auch am Samstag verschüttet. Vermisst wurden Dorfbewohner, Bergwanderer, Grenzsoldaten sowie ein russisches Filmteam mit dem populären Schauspieler und Regisseur Sergej Bodrow. Die Behörden befürchten, dass sich am Wochenende zahlreiche Touristen in den Berghütten aufhielten.

Im betroffenen Karmadon-Tal glaubten die Bewohner zunächst, eine gewaltige Wasserflut zu hören. Vor ihren Häusern erblickten sie dann das Ausmaß der Katastrophe. “Überall lagen die Eisbrocken, groß wie Lastwagen“, berichtete der geschockte Elbrus Dojew aus dem Dorf Gisel dem staatlichen Fernsehsender „Rossija“. Das Geröll staute sich in Dojews Dorf bis an die Dachkanten einiger Häuser.

„Solche Katastrophen lassen sich nicht vorhersagen. Der Gletscher ist praktisch unzugänglich“, berichtete der Chef der Bergwacht Nordossetiens, Igor Waskow. Nach ersten Vermutungen soll ein Beben des erloschenen Vulkans im benachbarten Berg Kasbek die Lawine ausgelöst haben. Der Kasbek zählt mit seinen Nachbarn Elbrus und Dychtau zum majestätischen Trio der Fünftausender, die über dem Kaukasusgebirge thronen.

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