Für die erfahrenen Mitarbeiter in den Briefverteilerzentren sei es in diesem Fall nicht schwer gewesen, den Brief an den Fanclub des betreffenden Schauspielers weiterzuleiten. Bei Urlaubsgrüßen An Herrn Meier in Wien werde es aber schwierig. Solche Sendungen mit unklaren Angaben von Absender oder Empfänger landen dann in Österreichs zentralem Postlageramt in Linz.
Rituelle Brieföffnungen als Spurensuche
Im Durchschnitt bekommen wir täglich rund 50 waschkorbgroße Kisten mit unanbringlichen Sendungen, erklärte Günter Fuchs. Was sonst strengstens verboten ist, gehört für ihn und seine drei Kollegen zur beruflichen Pflicht: Einen Brief nach dem anderen öffnen sie, um den Inhalt zu überfliegen und nach Adressen zu untersuchen. Bei mehr als 70 Prozent der Briefe finden wir Hinweise in den beigelegten Rechnungen, Lieferscheinen oder Begleitschreiben, so Fuchs, der die Sendungen neu adressiert und an den richtigen Empfänger weiterschickt.
Längeres Schmökern eher uninteressant
Wenn wir besonders wichtige Dokumente, wie Reisepässe oder Einkommenssteuernachweise finden, greifen wir zum Telefonbuch und versuchen, den jeweiligen Eigentümer auszuforschen, erklärt Fuchs. Für längeres Schmökern bleibe ihm allerdings keine Zeit, außerdem ist es gar nicht so interessant, wie es sich Außenstehende vielleicht vorstellen. Bleibt die Suche der Brief-Detektive allerdings erfolglos, wird der Brief per EDV erfasst und wandert ins Kellergeschoß, wo er für Nachforschungszwecke sechs Monate lagert.
Neben Briefsendungen gelangen auch bis zu 300 herrenlose Pakete pro Tag ins Lageramt. Darunter auch viele beschädigte Sendungen, die nur umverpackt und gleich weitergeschickt werden. Neben den Briefen schleppt Fuchs auch rund 50 Pakete wegen mangelnder Adressierung oder Annahmeverweigerung zur Aufbewahrung in den Keller. Wenn die Aufgabenummer noch vorhanden ist, bekommt der Kunde sein Paket zugestellt, nachdem er am Postamt eine Nachforschung eingeleitet hat.
“Funde” füllen das Lageramt
Sind am Paket allerdings überhaupt keine Angaben vorhanden, so sprechen die Spürnasen im Fachjargon von einem Fund. Ein solcher wird sofort geöffnet und auf seinen Inhalt untersucht. Bei uns landet ein Paar Socken genauso, wie DVD-Player oder Bettwaren, so Fuchs. Fein säuberlich katalogisiert füllen sich damit die Kellerräume des Lageramts neben dem Linzer Hauptbahnhof.
Wenn sich während der sechs monatigen Frist niemand als Empfänger oder Adressat ausweisen kann, wandern die Gegenstände ins Linzer Dorotheum. Rund 50 Artikel, vom Tischfußballspiel bis zur modernen Heimkino-Anlage, warten noch vor Weihnachten auf Schnäppchenjäger.