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Der Polizist als Stau-Beobachter

©Bilderbox.at
Gastkommentar von Andreas Unterberger: Noch mehr als durch sinnlose Straßensperren (vor allem für Aktiönchen grüner Vorfeldvereine) werden Wiens Autofahrer durch Baustellen gequält. Gewiss: Baustellen sind oft unvermeidlich. Aber der Umgang mit ihnen und ihren Konsequenzen zeigt die Geringschätzung, welche die Obrigkeit für die Autofahrer empfindet.

Weitaus dramatischstes Beispiel ist derzeit die langwierige Reparatur der Wiener Gürtelbrücke. Diese hat Wienern und Niederösterreichern schon Hunderttausende Lebensstunden gekostet.

Baustelle: Gürtelbrücke

Wenn zentrale Knotenpunkte einer Stadt so lang kaum passierbar sind, dann müsste dies schon weit vor Baubeginn zu einem generalstabsmäßigen Bemühen führen, die Konsequenzen zu mildern. Aber dennoch ist es deswegen im Rathaus nie zu großen Politikergipfeln gekommen. Es gab auch sonst nicht einmal Spurenelemente eines intensiven öffentlichen Nachdenkens, ob man mit Provisorien oder zumindest großräumig angelegten Entlastungsrouten etwas mildern hätte können (wo sind die Zeiten, da man bei der Reparatur von Donaubrücken Entlastungsstege gebaut hat?). Lange Zeit gab es auch keinen erkennbaren Versuch, die Bauarbeiten unter Druck zu setzen, um sie zu beschleunigen. Die Folgen des Konkurses einer Baufirma wurden vielmehr als unbeeinflussbares Kismet hingenommen.

Betroffen von dem Megastau zu jeder Rush-Hour sind keineswegs nur jene Autofahrer, welche die halb gesperrten Brücken passieren wollen. Vielmehr erstreckt sich der Stau weit in zuführende Straßenzüge hinein, wo dann vielfach auch der querende Verkehr durch in der Kreuzung festsitzende Autos schwer behindert wird.

Provokation der Polizei

Die Wiener Polizei reagiert darauf neuerdings nicht nur mit der behördlich üblichen Gleichgültigkeit, sondern auch mit offener Provokation. Monatelang gab es zuerst gar keine Reaktion, bis ich dann endlich einen Polizisten gesehen habe. Er stand an der Schräg-Kreuzung des inneren Gürtels mit Heiligenstädterstraße/Liechtensteinstraße (unmittelbar beim Verkehrsamt). Aber wo tat er das? Er stand versteckt hinter einer Ecke! Von dort schrieb er gemächlich alle Autos auf, die in die Kreuzung eingefahren waren, obwohl sie diese dann nicht mehr bei Grün verlassen konnten.

Das heißt nun nicht, dass ich mit den mit Anzeigen bedachten Fahrern Mitleid hätte. Sie verhielten sich zweifellos rechtswidrig – auch wenn diese Kreuzung mit ihren vielen, zum Teil schrägen Straßenzügen und den absurd kreuzenden Straßenbahnen eine der unübersichtlichsten und unintelligentesten Wiens ist.

Was einem aber wirklich das Geimpfte aufgehen lässt: Dieser Polizist hätte Tausenden Autofahrern und auch Straßenbahnen das viel schnellere Durchfahren ermöglicht, wenn er statt Strafanzeigen einzuleiten den Verkehr am inneren Gürtel jeweils rechtzeitig mit Handsignalen gesperrt hätte. Aber das liegt offenbar nicht (mehr) im Horizont eines Wiener Polizisten. Diese wollen nur noch mit elektronischem Spielzeug wie Radarpistolen und Alkotest-Geräten hantieren. Oder ist für ihre Vorgesetzten einfach das fette Abcashen wichtiger?

Lange Wartezeiten im Stau

Gar nicht zu reden ist davon, dass man durch eine generelle Änderung der Ampelschaltungen während der Bauzeit den Stau mildern hätte können.

Das hat mich an amerikanische Großstädte wie etwa New York erinnert. Dort steht zur Rush-Hour an jeder heiklen Kreuzung ein Verkehrsregler. Er springt immer sofort auf die Straße, wenn eine Blockade des Querverkehrs droht. Diese Menschen in New York sind nicht etwa hochausgebildete Cops, die für den Kampf gegen Kriminelle trainiert worden sind. Es sind vielmehr Verkehrswächter, die in etwa den Wienern „Weißkapplern“ entsprechen, welche ohne langwierige Ausbildung in allen Kurzparkzonen Park-Strafmandate ausstellen. Diese (ganz autonom dem Rathaus unterstehenden!) Uniformträger könnte man ohne jede zusätzliche Personalinvestition täglich zweimal an die heikelsten Kreuzungen Wiens schicken. Dazu bräuchte es nur die Anschaffung entsprechender Warnwesten.

Das könnte man – wenn man in dieser Zeit ein paar Mann von der Strafmandat-Ausstellung abzöge. Aber die ist dem Rathaus halt viel wichtiger …

Über den Autor

Der Autor war 14 Jahre Chefredakteur von „Presse“ bzw. „Wiener Zeitung“. Er schreibt unter www.andreas-unterberger.at sein „nicht ganz unpolitisches Tagebuch“, das heute Österreichs meistgelesener Internet-Blog ist.

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