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Der Fall "Erika": Ölkatastrophe mit gerichtlichen Spätfolgen

37.000 Tonnen Öl verpesteten 1999 die bretonische Küste
37.000 Tonnen Öl verpesteten 1999 die bretonische Küste ©dpad
Zwölf Jahre ist es her, dass der Tanker "Erika" unterging und die Küste der Bretagne mit Öl verseuchte - und erneut steht die Umweltkatastrophe auf der Tagesordnung der Justiz.

Nach einem mehrjährigen Mammutprozess mit richtungsweisenden Entscheidungen im Umweltrecht muss Frankreichs höchste juristische Instanz an diesem Donnerstag entscheiden, ob das Verfahren überhaupt rechtens war.

Auf Antrag des Generalanwalts droht die mögliche Annullierung des damaligen Richterspruchs. Nicht nur Umweltschützer erwarten die Entscheidung daher mit Spannung. Die Zeitung “Liberation” sprach von einem möglichen “juristischen, ökonomischen, politischen und offensichtlich ökologischen Donnerschlag”.

37.000 Tonnen Öl an Bord des Tankers “Erika”

Kurz vor Weihnachten 1999 zerbrach der vom Ölkonzern Total gecharterte Tanker “Erika” mit 37.000 Tonnen Schweröl an Bord in schwerer See, nachdem er zuvor leckgeschlagen war. Der Kapitän hatte stundenlang verzweifelt versucht, sein schrottreifes Schiff in einen rettenden Hafen zu steuern. Am Morgen des 12. Dezember 1999 gab er auf und ließ SOS funken. Mit knapper Not wurde die 26-köpfige Besatzung gerettet – wenig später zerbrach der Tanker. Konsequenz der Umweltkatastrophe: mehr als 400 Kilometer ölverklebte Küste, Zehntausende Seevögel qualvoll verendet, die wirtschaftliche Grundlage vieler Bretonen in einer der beliebtesten Tourismusregionen des Landes war zerstört oder stark beeinträchtigt.

Die juristische Aufarbeitung war mindestens genauso schwierig wie das Aufräumen der Strände. Im größten Umweltprozess der vergangenen Jahre – mit der Anerkennung von Umweltschäden als Basis für Entschädigungsforderungen schrieb er Justizgeschichte – wurde der Ölkonzern Total für mitschuldig erklärt. Beim Chartern des altersschwachen Tankers habe er fahrlässig gehandelt und sich nicht selbst von seiner Tauglichkeit überzeugt, argumentierten die Richter.

Streit um rechtliche Zuständigkeit – Strafen für Total

Das Gericht setzte die Schadensersatzansprüche am 30. März 2010 im Berufungsprozess auf 200 Millionen Euro fest. Weitere 375.000 Euro fielen als Strafe für den Konzern Total sowie die italienische Schiffsprüfungsgesellschaft Rina an, 75.000 Euro für Reeder und Schiffsmanager. Doch Total ließ nicht locker und schaltete mit dem Kassationsgericht die höchste Instanz ein. Nun argumentiert sogar der dortige Generalanwalt, dass die französische Justiz für das Unglück nicht zuständig gewesen sei, da das Schiffes nicht in französischen Hoheitsgewässern havarierte. Weil der Tanker unter maltesischer Flagge fuhr, müsste auch maltesische Rechtsprechung gelten.

Eine Annullierung des französischen Urteilsspruchs könnte weitreichende Folgen haben. “Das würde für die nächsten Ölkatastrophen bedeuten, dass Firmen wie BP oder Statoil (…) nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden können”, hatte die grüne Spitzenpolitikerin Eva Joly während des französischen Präsidentschaftswahlkampfs im TV-Nachrichtensender BFM erklärt. Die traumatisierten Bretonen wollen eine Annullierung nicht wehrlos hinnehmen – auch wenn der Ölriese Total zugesichert hat, die schon gezahlten Entschädigungen in Höhe von 171 Millionen Euro nicht zurückfordern zu wollen. (APA)

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