Seit Generationen füllen die dicken Bände die Bücherregale des Bildungsbürgertums.
Doch der Umgang mit Medien ändert sich, Internetsuchmaschinen und das Online-Lexikon Wikipedia setzen dem Werk zu. In dieser Lage wechseln die Enzyklopädie und sämtliche Rechte an der Marke Brockhaus einschließlich der Inhalte den Besitzer und gehen voraussichtlich zum 1. Februar 2009 an die Bertelsmann-Tochter Arvato. “Der Brockhaus kapituliert”, schreibt die “Frankfurter Allgemeine Zeitung”. Doch das Universallexikon hat eine Zukunft.
Bertelsmann ist seit 50 Jahren mit seinen Lexika der wohl wichtigste Brockhaus-Konkurrent. Daher könne man den Wert von Brockhaus gut einschätzen, betont Christoph Hünermann, Geschäftsführer der Arvato-Tochter wissenmedia, die nach eigenen Angaben mit dem Bertelsmann Lexikon, Wahrig, Geschichtslexika unter der Marke Chronik und Atlantica zu den führenden Wissensverlagen in Europa zählt. “Die Kunden können davon ausgehen, dass es den Brockhaus auch in Zukunft geben wird. Da braucht sich niemand Sorgen zu machen”, sagt er.
Doch ändern muss sich etwas. Im Buchhandel sei es fast nicht mehr möglich, eine 30-bändige Enzyklopädie zu verkaufen, meint Hünermann. Im Direktvertrieb mit Vertretern, die ihre Kunden besuchen, geht das allerdings immer noch sehr gut. Man müsse den Markt sondieren und schauen, wie groß das Interesse der Kunden ist – und wie man sie erreicht.
Für Ulrich Granseyer, Vorstandssprecher der Mannheimer Verlagsgruppe Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, bedeutet der Verkauf der Marke denn auch keineswegs den Tod von Brockhaus. Auch er sieht für die Marke die Zukunft im Direktvertrieb, bei dem das Unternehmen seit Jahren mit der zu Arvato gehörenden inmediaONE zusammenarbeitet. Denn eine Enzyklopädie kaufe der Kunde im Buchhandel nicht so zufällig wie einen Krimi. Doch gehe es nicht allein um die Enzyklopädie, sondern eine “Wissenswelt” mit einem mehrbändigen Lexikon, Nachschlagewerken für Schüler, Natur- oder Tier-Enzyklopädien und Online-Angeboten.
Die Mannheimer Verlagsgruppe will sich künftig auf das Geschäft unter der Marke Duden und das Kalendergeschäft konzentrieren. Denn der Verkauf der 2005 gestarteten 21. Auflage der Enzyklopädie läuft schleppend. Im Gespräch ist ein minimales Verkaufsziel von 20.000 Exemplaren. Granseyer äußert sich zwar nicht zu der Zahl, aber die Zielgröße habe man deutlich verfehlt. 2007 hatte der Brockhaus-Verlag Verluste von knapp 6,5 Millionen Euro verbucht. Der Standort Leipzig soll aufgegeben werden, 60 Arbeitsplätze sind betroffen. Nach Ansicht des Leipziger Buchmesse-Chefs Oliver Zille ist das Ende des Standorts “ein schwarzer Tag für die Buchstadt”. Der Lexikon-Markt werde zunehmend schwierig und es sei absehbar gewesen, dass Brockhaus handeln muss. Brockhaus habe auch die Teilnahme an der Buchmesse abgesagt.
Ob es eine 22. Auflage des Lexikons geben wird, ist nach Angaben von Arvato noch nicht entschieden. Allerdings sieht Hünermann keinen Zeitdruck, Lexika hätten normalerweise eine “Haltbarkeit” von acht bis zehn Jahren.
Die Idee, das Nachschlagewerk unter dem Druck von Google und wikipedia komplett über das Internet zu vermarkten, hatte schon der alte Besitzer beerdigt. Das plant auch wissenmedia nicht, zumal die Arvato-Tochter mit wissen.de bereits über ein Online-Angebot verfügt. Wobei die Suchmaschine Google zwar einen Anteil an den Veränderungen habe, aber als Synonym für das ganze Internet stehe, betont der Sprecher von Google Deutschland, Stefan Keuchel. Das Internet erleichtere den Zugang zu Informationen, mehr als die Hälfte der Deutschen seien mittlerweile online. Das mache den klassischen Nachschlagewerken das Leben schwer, räumt er ein.
Den Weg der kostenfreien Nutzung im Internet hatte eines der angesehensten Nachschlagewerke der Welt, die 1768 gegründete Encyclopaedia Britannica, bereits vor zehn Jahren gewagt. Mit Werbebannern versuchte der Verlag, an Einnahmen zu kommen. Doch seit 2002 gibt es die gedruckte Ausgabe wieder.