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Den Haag: Pflichtverteidiger für Milosevic

Der wegen Kriegsverbrechen angeklagte jugoslawische Expräsident Slobodan Milosevic darf sich nicht weiter selbst verteidigen und so den Prozess in die Länge ziehen. Das UNO-Tribunal in Den Haag beschloss einen Pflichtverteidiger zu berufen.

Milosevic sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, sich selbst zu verteidigen, erklärte der Vorsitzende Richter Patrick Robinson. Dies gehe aus den Berichten der Ärzte eindeutig hervor. Wenn es dem Angeklagten erlaubt würde, sich weiter selbst zu verteidigen, „gibt es die reale Gefahr, dass dieser Prozess eine unvernünftig lange Zeit dauern könnte“, sagte Robinson. Die Berufung eines Pflichtverteidigers sei im Interesse der Justiz. Wer die Aufgabe übernehmen soll, steht noch nicht fest.

Milosevic wehrte sich vehement gegen die nach seinen Worten eklatante Verletzung seines Rechts auf Selbstverteidigung. Er kündigte an, gegen die „illegale Entscheidung“ in Berufung zu gehen. Nach Darstellung des Angeklagten sollen 100 Anwälte aus mehreren Ländern bereits eine Eingabe beim Präsidenten des UNO-Sicherheitsrats eingereicht haben, um Milosevic das Recht auf alleinige Verteidigung zu sichern.

Robinson wies darauf hin, dass sich Milosevic laut dem Befund der Ärzte nicht an die Einnahme ihm verschriebener Medikamente halte und damit selbst erheblich zu seinen Beschwerden beitrage. Ein von Milosevic beantragtes neues „Gutachten durch Experten aus Griechenland, Russland oder Serbien“ lehnten die Richter mit zwei Stimmen bei einer Gegenstimme ab.

Der frühere serbische und jugoslawische Präsident steht seit Februar 2002 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der Kriege in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und im Kosovo sowie wegen Völkermords im Bosnienkrieg vor Gericht. Einen Pflichtverteidiger lehnte er bisher ab. Wegen seiner gesundheitlichen Beschwerden – er leidet vor allem unter Bluthochdruck – musste der Prozess schon mehr als ein Dutzend Mal unterbrochen werden.

Zweieinhalb Jahre nach Beginn des Prozesses begann der frühere jugoslawische Staatspräsident am Dienstag mit der Darlegung seiner Verteidigung, wofür ihm 150 Tage zur Verfügung stehen. Dazu legte er eine Liste von 1.400 potenziellen Zeugen vor – unter ihnen der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder, der britische Premierminister Tony Blair und der frühere US-Präsident Bill Clinton. Gegen Milosevic liegen insgesamt 66 Anklagepunkte vor, unter anderem wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Unterdessen berichtete die Belgrader Zeitung „Kurir“, Milosevic sei bei seinem Verfahren vor dem UNO-Tribunal von seiner eigenen Partei und von Freunden mit Millionen Euro unterstützt worden. „Dutzende Millionen Dinare“ seien für die Bezahlung der Milosevic-Prozesskosten bereitgestellt worden, sagte der Chef der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS), Ivica Dacic der Zeitung. Die Hilfe der Partei „wird in Millionen Euro gemessen“, ergänzte sein Stellvertreter, Milorad Vucelic. Einzelheiten über die genaue Herkunft des Geldes wollten beide Funktionäre nicht nennen.

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