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Democracy - Im Rausch der Daten - Trailer und Kritik zum Film

Was müssen sich die Fördergeber gedacht haben, als Regisseur David Bernet mit der Idee ankam, einen Dokumentarfilm über den parlamentarischen Weg der geplanten Datenschutzrichtlinie durchs EU-Parlament zeigen?

Ein drögeres Sujet scheint aufs Erste nicht vorstellbar. Und doch ist “Democracy – Im Rausch der Daten” ein packendes Werk geworden, das gelebte Demokratie zeigt. Ab Freitag im Kino.

Democracy – Die Geschichte

Dabei könnte das Werk nicht aktueller sein, hat sich die EU doch Mitte Dezember endgültig auf die Umsetzung jenes Reformprogramms verständigt, dessen Umsetzung auf Parlamentsebene im Zentrum von “Democracy” steht. Das Klischee von der kafkaesken Brüsseler EU-Maschinerie, die intransparent und unverständlich sinistre Machenschaften strickt, wird dabei in jedem Falle als solches entlarvt. Der Film setzt ein, als die EU-Kommission in Person der damaligen, in ihrer jovialen Vehemenz lange Zeit unvermeidlichen Justizkommissarin Viviane Reding aus Luxemburg ihren Vorschlag für eine neue Datenschutz-Richtlinie vorlegt.

In Folge wird der deutsche Grünen-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht – mittlerweile eine der prominenten Figuren der EU-Politik, der allein schon durch sein Äußeres mit wuscheligen Haaren und T-Shirt-Affinität heraussticht – zum Berichterstatter des Parlaments gewählt. Seine Aufgabe besteht darin, einen Konsens innerhalb der Volksvertretung zu erzielen, mit dem man in die endgültigen Verhandlungen mit Kommission und Rat (dem Gremium der Fachminister der einzelnen EU-Staaten) treten kann.

Vor Albrecht und seinem Berater Ralf Bendrath liegen Monate der Treffen mit den verschiedenen Einflussgruppen – von NGOs über Datenschutzbeauftragte bis Industrielobbyisten. Frappant ist dabei, in welche Bereiche Bernet Einblick hatte und diese auch zeigen darf. In die sogenannten Schattentreffen der Parlamentarier, Lobbyistengespräche oder Verhandlungen hinter den Kulissen gelangt “Democracy” gleichsam mit unsichtbarer Kamera, ohne dass sich die Beteiligten irgendwelche Beschränkungen auferlegen. Mittendrin statt nur dabei.

Democracy – Die Kritik

Wirtschaftsvertreter John Boswell formuliert für den Verband SAS freimütig seine “Enttäuschung” über die Wahl des als industrieskeptisch geltenden Albrecht. Der damalige EU-Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx erklärt den noch ahnungslosen Abgeordneten (und damit letztlich auch den Zuschauern) die komplexe Materie, und Kreditvermittler dringen auf möglichst große Freiheit im Datengebrauch. Und zwischen all diesen Interessensvertretern und Positionen changiert Albrecht.

Ihm komme das EU-Parlament bisweilen wie ein großer Tanker ohne Steuermann vor, dessen Kurs man nur durch Gewichtsverlagerung ändern könne, sinniert der 1982 geborene Parlamentarier inmitten des langen Prozesses: Man müsse genügend Menschen dazu bewegen, auf eine Seite zu kommen – aber auch dann sei bisweilen schwer auszumachen, in welche Richtung sich das große Schiff bewege. Dies sei auch nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass die Tragweite der Datenschutz-Problematik der Öffentlichkeit noch nicht bewusst sei, sondern man letztlich als Speerspitze der Avantgarde zentrale Dinge der Zukunft ausfechten müsse.

Dabei verhehlt “Democracy” auch nicht den Druck, der auf Albrecht lastet, seine Zweifel, die streckenweise Isolierung, die erst durch den Fall Edward Snowden aufgebrochen wird. Dessen Enthüllungen bringen Schwung in die Verhandlungen. Dennoch werden am Ende 4.000 Änderungsanträge zum Erstvorschlag Albrechts vorliegen, die eingearbeitet sein wollen. Doch das scheinbar Unmögliche gelingt: Die zentralen Fraktionen des Parlaments einigen sich auf einen Entwurf. Dass man als Zuschauer an diesem Punkt bei der Detailabstimmung im Parlament über einzelne Änderungsformeln mitfiebert, ist eine der großen Qualitäten der Dokumentation, die einen authentischen Blick auf lebensnahe Prozesse ermöglicht. Natürlich ist “Democracy” kein Actionfilm, aber das ist das Leben ja auch nicht.

Durchgängig in Schwarz-Weiß gedreht, entzieht Bernet sein Werk der gängigen Fernsehästhetik. Der Regisseur meidet Talking Heads im Stile eines handelsüblichen Nachrichtenbeitrags. Stattdessen poetisiert er das Geschehen mit Zwischenschnitten auf das den Jahreszeiten unterworfene Brüssel oder auf Büroeinrichtungen wie bei der Erfolgsserie “Stromberg”. Auch flechtet er Bilder wie poetische Übergänge von fallendem Schnee zu im Lichtkegel eines Projektors tanzenden Staubkörnern ein. Und dass der demokratische Prozess nun dank der Zustimmung aller beteiligter Institutionen tatsächlich einen Abschluss gefunden hat, macht das Happy End in der Volksvertretung am Ende umso schöner.

> Die Kinostartzeiten zu “Democracy”

(APA)

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