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Demo vor Wiener SPÖ-Zentrale nach Protestcamp-Auflösung

Demo vor der Löwelstraße.
Demo vor der Löwelstraße. ©APA/FLORIAN WIESER
Nachdem das Protestcamp der Wiener Stadtstraße im Laufe des Dienstages aufgelöst wurde, kam es am Abend zu einer Demo vor der SPÖ-Zentrale in der Löwelstraße. Einige Hundert Menschen hatten sich eingefunden.
Räumung des Wiener Stadtstraßen-Protestcamps abgeschlossen

Am Dienstag ist die schon länger im Raum gestandene Räumung des Protestcamps von Umweltschützern auf der geplanten Baustelle der Stadtstraße in Wien-Donaustadt vollzogen worden. Im Zuge des stundenlangen Einsatzes wurden insgesamt 48 Personen vorläufig festgenommen, der Großteil nach dem Verwaltungsstrafgesetz. Fünf Festnahmen erfolgten wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, berichtete Polizeisprecher Markus Dittrich am Abend.

Indes formierte sich der Widerstand der Umweltschützer bereits wieder neu: Einige hundert Menschen hatten sich schon beim Auftakt einer Protestkundgebung am frühen Dienstagabend vor der SPÖ-Zentrale in der Löwelstraße eingefunden.

FFP2-Maskenpflicht bei Lobau-Demo strickt eingehalten

Dabei wurde lautstark gegen die Räumung protestiert - auch unter dem Einsatz von Trommeln und Trillerpfeifen. Auf Transparenten ("Städte für die Autos oder für die Menschen?") wurde die Verkehrspolitik der Stadt kritisiert. Mit dabei war auch Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), wenn auch nur indirekt. Global 2000 projizierte ein Bild des Stadtchefs - wie er einen Baum umschneidet - auf das Gebäude.

Skandiert wurde Parolen wie "Lobau bleibt!". In Reden wurde unter anderem davor gewarnt, dass Stadt und Wirtschaftskammer auch die Lobauautobahn weiter "durchboxen" wollen. Anders als bei den Demonstrationen der Corona-Maßnahmengegner waren keine Menschen zu sehen, die die FFP2-Maskenpflicht ignorierten. Die Veranstalter riefen auch dazu auf, die Regeln einzuhalten.

Sima wollte friedlichen Ausweg

Umweltstadträtin Uli Sima (SPÖ) betonte am Abend in einem Interview in der ORF-Sendung "Wien heute" erneut, sie habe "sehr intensiv versucht, einen friedlichen Ausweg aus diesem Konflikt zu finden". Mehrfache Gesprächsangebote an die Aktivisten seien nicht angenommen worden, ein letztendlich doch zustande gekommenes Gespräch hätte sie "erzwingen müssen". Nach fünf Monaten müsse man dann erkennen, "dass es keinen Zweck mehr hat, weiter auf Gespräche zu setzen, wenn das Gegenüber einfach nicht bereit ist, einem entgegenzukommen oder überhaupt auf Gespräche einzugehen".

Sima unterstrich die Wichtigkeit der Stadtstraße: "Sie ist für uns der Schlüssel zu Wohnungen für 60.000 Menschen". Es handle sich um eine 3,5 Kilometer lang Gemeindestraße auf der Tempo 50 gilt. "Wenn ich eine Stadt in der Größe von St. Pölten baue, brauche ich eine Erschließungsstraße", so Sima. Es sei eine U-Bahn in die Seestadt gebaut worden, viele öffentliche Verkehrsmittel würden noch folgen, sagte die Stadträtin. Geplant worden sei die Straße von ihrer grünen Vorgängerin, so Sima. Änderungen am fertigen Projekt hätten ein zurück zu den Anfängen bedeutet.

Der lange Weg bis zur Räumung

Das Protestcamp von Umweltschützern auf der geplanten Baustelle der Stadtstraße in Wien-Donaustadt ist am Dienstag unter großem Medieninteresse geräumt worden. Die Situation zwischen den beiden Lagern ist seit langem äußerst angespannt. Das Camp war bereits seit August des vorherigen Jahres besetzt. Annäherungen zwischen Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und den Aktivisten gab es in der Zeit praktisch nicht. Eine Chronologie:

- 28.7.2021: Acht Aktivisten von Extinction Rebellion (XR) und anderer Klima-Bewegungen blockieren die Hausfeldstraße in Wien-Donaustadt, um gegen erste, dort stattfindende Vorarbeiten für die Stadtstraße zu protestieren. Die Demonstration ist laut Polizeiangaben friedlich verlaufen. Trotzdem werden fünf Personen vorläufig festgenommen.

- 13.8.2021: Im Zuge der Protestbewegung blockieren Klimaaktivisten eine Baustelle im Bereich der Hirschstettner Straße in Wien-Donaustadt. Es sind rund 20 Männer und Frauen daran beteiligt.

- 27.8.2021: Das "Camp für die Lobau" mit Zelten, Pavillons und einer kleinen Bühne in Hirschstetten wird errichtet. Rund 400 Demonstranten ziehen am frühen Abend von der U-Bahn-Station Hausfeldstraße zur Parkanlage bei der Anfanggasse nahe der Baustellen. Mehr als 40 Klimaschützer übernachten im Camp. Das Camp bleibt über Monate hinweg besetzt.

- 30.8.2021: Rund 100 Projektgegner, darunter auch Zwölf- und 13-Jährige, blockieren laut Organisatoren zusätzlich die Baustelle und Zufahrtstraße der Stadtautobahn. Betroffen ist besonders jener Bereich bei der A23 (Südosttangente), in dem die nach Aspern führende Schnellstraße künftig angebunden werden soll.

- 6.9.2021: 70 Aktivistinnen und Aktivisten besetzen eine weitere Baustelle, diesmal jenes Gebiet bei der Hausfeldstraße.

- 22.9.2021: Die Wiener Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) sagt, dass sie die Besetzung der Baustelle für die Stadtstraße nicht mittels Räumung beenden will. Diese Strategie würde zu noch stärkerer Polarisierung führen, so Sima.

- 23.9.2021: Rund 20 Aktivisten von Greenpeace besetzen den Vorraum des Büros des Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig (SPÖ), um den sofortigen Stopp des Lobautunnels und der geplanten Stadtstraße Aspern zu fordern. Ein zehn Meter langes Banner mit den Worten "Lobau Bleibt" wird auf dem Gerüst des westlichsten Rathausturms platziert. Ludwig übt in der zugleich stattfindenden Sitzung des Landtags Kritik am Protest. Nach über 24 Stunden ziehen die Männer und Frauen wieder aus dem Rathaus ab.

- 25.9.2021: 60 Umweltschützer haben den Julius-Raab-Platz in der Wiener Innenstadt für den Verkehr blockiert. Der Protest richtete sich einmal mehr gegen den Bau der Stadtstraße Aspern und des Lobautunnels. Es kommt zu umfangreichen Verkehrsbehinderungen.

- 5.10.2021: Umwelt- und Klimaorganisationen präsentieren eine "Lobauer Erklärung". Sie gilt als "Manifest" gegen den Bau der geplanten Nordostumfahrung samt Lobautunnel. Die Rede ist darin vom "teuersten und umweltschädlichsten Autobahnvorhaben Österreichs". Sie bringe keine Verkehrsentlastung. "Diese findet nur in politischen Sonntagsreden statt", heißt es in dem Papier.

- 12.10.2021: Gegner des Vorhabens bringen weitere Rechtsmittel ein. Ein Wasserrechtsverfahren zum umstrittenen Wiener Lobautunnel gegen die Wiener und Niederösterreichische Landesregierung geht so in die nächste Instanz.

- 22.10.2021: Wien ernennt mit Andreas Januskovecz einen neuen Bereichsleiter für Klimaangelegenheiten.

- 25.11.2021: Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) will die weiterhin anhaltende Besetzung von Baustellen im Bereich der Stadtstraße Aspern nicht mittels Polizeieinsatz beenden. Eine Räumung sei vorerst nicht geplant.

- 27.11.2021: Ein "aktivistisches Kunstkollektiv" blockiert die Wiener SPÖ-Zentrale kurzfristig mit ausrangierten Autoreifen.

- 1.12.2021: Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) verkündet das Aus für den Zankapfel Lobau-Autobahn. Besetzer jubeln und fordern mit Rückenwind der Entscheidung auch das Ende für die Stadtstraße. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sieht in den von Gewessler vorgestellten Plänen, vor allem zur Umgestaltung der Stadtstraße, "eine gewisse Pflanzerei".

- 2.12.2021: Wiens Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) betont, dass die Stadtstraße in der Donaustadt jedenfalls gebaut werden soll.

- 9.12.2021: Die Fronten verhärten sich weiter. Das Büro von Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) lässt die Aktivisten per Brief wissen, dass die Besetzung nicht länger dulde. Die Polizei besucht das Camp. Die Umweltschützer fürchten eine Räumung.

-10.12.2021: Die Situation spitzt sich weiter zu. Die Stadt fordert zwischen 40 und 50 Aktivisten mittels Anwaltsschreiben auf, die Baustelle zu verlassen. Rechtliche Schritte gegen die Demonstranten werden ansonsten angekündigt, um die "entstandenen Schäden" einfordern zu können. Auch Kinder und Jugendliche sind davon betroffen. NGOs kritisieren das als Einschüchterung.

- 20.12.2021: Kleine Annäherung zwischen den Konfliktparteien: Die "Lobau Bleibt"-Bewegung und die Stadt Wien suchen das gemeinsame Gespräch. Vorgespräche nach den Weihnachtsfeiertagen werden vorgeschlagen.

- 23.12.2021: Die Stadt Wien zieht die Klagsdrohungen gegen Minderjährige zurück.

- 31.12.2021: Die Situation eskaliert: In der Nacht auf den Silvestertag brennt eine zweistöckige Holzhütte am Areal in Hirschstetten. Verletzte gibt es keine. Die Gefahr für die Aktivisten, die im Schlaf vom Feuer überrascht wurde, war aber groß. Der Verfassungsschutz nimmt Ermittlungen wegen Brandlegung auf. Anwesende haben laut Polizei einen Radfahrer gesehen und Brandbeschleuniger wahrgenommen. Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) verurteilte die Handlung scharf. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sorgt mit seiner Reaktion für Aufregung. Er sprach davon, dass "ein rechtsfreier Raum in einer Stadt kein Vorteil ist".

- 14.1.2022: Umweltschützer und Umweltschützerinnen demonstrieren erneut vor dem Rathaus gegen das Bauvorhaben. "Klimaschutz ist kein Verbrechen. Brandanschläge schon", heißt es auf einem vor dem Rathauseingang entrollten Transparent.

- 21.1.2022: Die rot-pinke Stadtregierung präsentiert ihren "Klimafahrplan" für Wien. Die Stadt soll bis 2040 klimaneutral werden. An der Stadtstraße werde aber nicht gerüttelt, hält die Regierungsspitze einmal mehr fest.

- 23.1.2022: Ein Gespräch zwischen Klimaschützern und Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) geht ergebnislos zu Ende.

- 27.1.2022: Gerüchte über eine baldige Räumung des seit Monaten besetzten Camps kursieren.

- 1.2.2022: Das Protestcamp bei der Seestadt Aspern wird mit einem Großaufgebot der Polizei geräumt. Mehrere Demonstranten werden festgenommen. Die Einsatzkräfte benutzen Pfefferspray. Einzelne Aktivisten fixierten sich aneinander und verzögern so den Einsatz. Der Bereich wird großräumig abgesperrt, außerdem sind zunächst sämtliche Öffentliche Verkehrsmittel rund um die Baustelle unterbrochen. Gebäude des Camps werden mittels Baggern zerstört. Zudem werden zeitgleich die ersten von insgesamt 380 Bäumen für die Stadtstraßen-Trasse gefällt. Zahlreiche Medienvertreter berichten an Ort und Stelle.

(APA/red)

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