Der Schuldenberg, 2008 noch 62,5 Prozent, dürfte bis 2011 auf 80 Prozent wachsen, wie Wifo-Chef Karl Aiginger und IHS-Leiter Bernhard Felderer am Freitag sagten.
Felder, auch Vorsitzender des Staatsschuldenausschusses, rechnete vor, dass die 20 Prozentpunkte zusätzliche Schulden innerhalb von drei Jahren einen Absolutbetrag von 55 Mrd. Euro ausmachen, bezogen auf die heimische Wirtschaftsleistung von 2008. Allein dafür seien zusätzlich 2,5 Mrd. Euro Schulden jährlich zu berappen, neben den ohnedies schon 7,5 Mrd. Euro für die ersten 60 BIP-Prozent der Schulden. “Das kann niemand verkraften, das muss man zurückführen”, betonte Felderer und sprach von einem Konsolidierungsbedarf von 40 bis 50 Mrd. Euro. Die 2,5 Mrd. Euro entsprächen etwa dem Uni-Budget.
Das IHS erwartet für 2009 einen Anstieg des gesamtstaatlichen Defizit auf 4,4 Prozent und für 2010 auf 5,4 Prozent. Das Wifo geht von 4,3 bzw. 5,8 Prozent aus. In den USA zum Beispiel wird das Defizit heuer von 6 auf 12 Prozent klettern und 2010 bei 14 Prozent liegen, so Aiginger. Die Schuldenquote Österreichs sieht das Wifo auf heuer 70,5 Prozent und nächstes Jahr 76 Prozent steigen. Die EU-Frühjahrsprognose für Österreich hatte hier 73 bzw. 75 Prozent angenommen. Auch Finanzminister Josef Pröll schätze, dass da 2011 nochmals 5 Prozentpunkte dazukämen, so der Staatsschulden-Experte.
In der jetzigen Konjunkturkrise sei eine drastische Rückführung des Defizits noch “nicht angebracht”, so das IHS. “Niemand redet von Reformmaßnahmen vor 2011”, sagte Felderer. Dafür seien “in den folgenden Jahren aber harte Konsolidierungsanstrengungen notwendig”. Unumgänglich seien dabei weitreichende Reformen in der Verwaltung, den Beziehungen der Gebietskörperschaften zueinander, bei den Pensionen sowie im Bildungs- und Gesundheitssystem. Stärkere Konsolidierungsbemühungen bereits in den Jahren der Hochkonjunktur hätten nun in der Krise den gleichen Konjunkturimpuls bei geringerem Defizit ermöglicht, schreibt das Wifo der Politik ins Stammbuch.
Seinen Mehrwertsteuer-Erhöhungsvorschlag – Anhebung des oberen Satzes von 20 auf 22 Prozent – wollte IHS-Chef Felderer am Freitag nicht erneuern. Er verwies aber zur Budgetsanierung auch auf eine Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters. Eine Anhebung um 5 bis 6 Jahre könnte das Pensionsproblem weitgehend entschärfen, meinte er. IHS-Arbeitsmarktexperte Ulrich Schuh sagte, Österreich sei mit den frühen Pensionseintritten international ein Ausreißer, “hier könnte ohne soziale Härten deutlich angehoben werden”. Immerhin seien die Pensionen “der größte Brocken beim öffentlichen Budget”. Eine neue Reform sei da gar nicht nötig, es reiche das Umsetzen geltenden Rechts: “Das ist weder eine grausame noch eine utopische Idee”. Wie Arbeitsmarktexperte Helmut Hofer verwies auch Schuh auf das gesetzliche Antrittsalter von 65 (für Männer). Ohne Ausländer betrage das faktische Antrittsalter sogar nur 58 statt 59 Jahre, so Schuh.
Wifo-Chef Aiginger will sich “noch nicht am Raten beteiligen, welche Steuer erhöht werden soll”: “Ich will jetzt noch nicht darüber diskutieren. Erst müssen wir das Feuer löschen”, unterstrich er am Freitag. Es könnte für die Konjunktur gefährlich sein, sollte der Staat bereits 2010 seine Ausgaben zurückfahren oder Steuererhöhungen beschließen, warnte er. Es sei weiterhin eine aktive Wirtschaftspolitik mit einer stimulierenden Rolle des Staates nötig. Nach der Krise müsse man jedoch mit langfristigen Reformen und einer langfristigen Konsolidierung und Ausgabensenkung beginnen.
Für ein längeres Arbeiten will Aiginger nicht plädieren: “Früher hätte ich es befürwortet. Jetzt ist es problematisch, weil viele ältere Menschen über 45 oder 50 nur schwierig einen Job bekommen.”