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Debatte um NATO bei Sicherheitskonferenz

Mit Kritik am Zustand der NATO und der Forderung nach grundlegenden Reformen hat der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) eine Debatte über die Zukunft des transatlantischen Bündnisses ausgelöst.

US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld reagierte am Samstag auf der Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik zurückhaltend auf die Kritik. Er lobte vor 250 Politikern und Militärs aus aller Welt die NATO als das eindrucksvollste Militärbündnis „in der Geschichte der Menschheit“ und verwies auf die gemeinsame Stärke. NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer betonte, das Militärbündnis habe sich in den letzten Jahren mehr entwickelt als je zuvor.

Schröder plädierte für die Neuordnung der Beziehungen zwischen Europa und den USA und eine Reform der Allianz. Das Militärbündnis sei nicht mehr der erste Ort für die Konsultierung und Koordinierung der strategischen Vorstellungen der Partner, erklärte Schröder in einer Rede für die Münchner Sicherheitskonferenz, welche Verteidigungsminister Peter Struck an Stelle des Erkrankten hielt. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sandte ein Signal der Annäherung an die EU-Verbündeten aus, reagierte auf Schröders Vorschlag aber zurückhaltend.

Schröder zufolge entspricht der Dialog zwischen der EU und Amerika heute „weder dem wachsenden Gewicht der Union noch den neuen Anforderungen transatlantischer Zusammenarbeit“. Der Kanzler schlug ein Forum aus unabhängigen Personen vor, das bis Anfang 2006 den Staats- und Regierungschefs von NATO und EU Ideen für eine neue Organisationsform erarbeiten soll. Es sei im internationalen Interesse, dass die EU eine stärkere weltpolitische Verantwortung übernehme. Er hoffe, dass der Besuch von US-Präsident George W. Bush am 22. Februar in Brüssel neue Impulse geben werde. Schröder meldete erneut den deutschen Anspruch auf einen ständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat an. Auch mahnte er zur weiteren Einbindung Russlands in eine strategische Partnerschaft mit der EU.

US-Verteidigungsminister Rumsfeld erwiderte, Ort für Diskussionen über transatlantische Fragen sei „ganz klar“ die NATO. Die Mitglieder des Bündnisses hätten mit den radikalen Islamisten einen gemeinsamen Feind, den keine Nation allein besiegen könne. Trotz seines Bekenntnisses zur NATO kündigte der Minister an, dass die USA sich auch in Zukunft wechselnde Partner suchen werden: „Der Auftrag bestimmt die Koalition.“ Rumsfeld sagte, keine Nation könne allein die neuen Bedrohungen bekämpfen. Die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen sei eine globale Sorge und müsse mit globaler Anstrengung bekämpft werden. Die NATO habe die größten Probleme immer lösen können. Der US-Minister forderte erneut Unterstützung für den Wiederaufbau im Irak und in Afghanistan.

Nachdem das Vorgehen der USA im Irak in den vergangenen zwei Jahren für heftige Debatten und offene Auseinandersetzungen auf der Sicherheitskonferenz gesorgt hatten, bemühte sich Rumsfeld um einen Schlussstrich unter den Streit. Es habe seit Bestehen der Allianz immer Meinungsverschiedenheiten gegeben. Doch die gemeinsamen Werte, die gemeinsame Geschichte und der gemeinsame Glaube an die Demokratie überwögen. „Einigkeit heißt gemeinsame Ziele, aber nicht unbedingt immer Gleichförmigkeit und gleiche Meinungen“, sagte Rumsfeld.

NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer wies Schröders Kritik am Zustand des transatlantischen Bündnisses zurück. Dieses sei nicht krank, sondern wachse und gedeihe. Die NATO befinde sich in einem Reformprozess, der fortgesetzt werde. Struck betonte nach teils heftigen Reaktionen unter den 250 Konferenzteilnehmern auf die Bestandsaufnahme Schröders, dass sich die NATO aus seiner Sicht auf einem guten Weg befinde.

CDU-Chefin Angela Merkel forderte die Europäer zum Schulterschluss mit den USA in Fragen der Sicherheitspolitik auf: „Europa darf sich nicht als Gegengewicht zu den USA verstehen oder gar glauben, dass eine Gegenposition die europäische Identität stärken könnte.“ Sie forderte ebenfalls eine Reform der NATO, die zu einer Stärkung des Bündnisses führen müsse. Merkel bemängelte, dass das transatlantische Bündnis seine „Rolle für das 21. Jahrhundert“ noch nicht ausreichend gefunden habe. FDP-Chef Guido Westerwelle kritisierte den Kanzler-Vorstoß. Er fürchte, dass damit der Graben zu den USA „eher größer wird“, sagte Westerwelle am Rande der Konferenz. Er halte Schröders Ideen für einen „großen Fehler“.

Rund 800 Menschen haben am Samstag auf dem Münchner Marienplatz gegen die Sicherheitskonferenz in der bayerischen Landeshauptstadt demonstriert. Nach Angaben der Polizei verlief die Kundgebung, zu dem das Anti-Globalisierungs-Netzwerk Attac aufgerufen hatte, weitgehend friedlich. Es habe lediglich drei Festnahmen gegeben, eine davon wegen „langer Nieten an der Kleidung“, sagte ein Polizeisprecher. Im Anschluss war ein Protestzug durch die Innenstadt geplant. Mehrere hundert Polizisten waren im Einsatz. Bereits am Vorabend hatten nach Polizeiangaben rund 1.000 Gegner der Veranstaltung vor dem Tagungshotel protestiert. Zum Schutz der bis Sonntag dauernden Konferenz werden rund 4.000 Beamte eingesetzt. Vorwiegend linke Gruppen haben 14 Protestveranstaltungen angemeldet und erwarten etwa 5.000 Demonstranten.

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