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Debatte um Aufklärung der DDR-Spionage hält an

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Nach den Enthüllungen über eine Stasi-Mitarbeit des Ohnesorg-Todesschützen Karl-Heinz Kurras hält in Deutschland die Debatte um eine Aufklärung der DDR-Spionage im Westen an. Berlins Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann forderte ein Forschungsprojekt zur Frage, "wie weit die Stasi in der West-Berliner Polizei verwurzelt war". Mehrere Politiker wollen Kurras' Pensionsansprüche überprüft sehen.

Ratzmann regte ein wissenschaftliches Projekt mit Hilfe der Stasi-Unterlagenbehörde an, “um diese Zeit aufzuarbeiten”. Die West-Berliner Polizei sei in politische Auseinandersetzungen verwickelt gewesen wie Hausbesetzungen oder die Kampagne gegen den Internationalen Währungsfonds, sagte der Grünen-Politiker der “Berliner Zeitung” vom Montag.

Der Vorsitzende des Innenausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus, Peter Trapp (CDU), nannte es “unbefriedigend”, dass Beamte der früheren West-Berliner Polizei nach der Wende nicht auf eine Stasi-Tätigkeit überprüft worden seien. “Diejenigen, die als Untergrund-Agenten tätig waren, müssen enttarnt werden”, sagte er der “Berliner Zeitung”. Nur ehemalige DDR-Volkspolizisten, die nach der Wende von der Berliner Polizei übernommen wurden, waren überprüft worden.

Der Historiker Arnulf Baring zeigte sich indes überzeugt, dass noch Tausende DDR-Spione aus Westdeutschland unentdeckt sind. “Wir haben bislang erstaunlich wenig von politischen Verrätern auf der westlichen Seite gehört”, sagte Baring dem “Hamburger Abendblatt” vom Montag. Kurras sei nur “ein Fall unter Tausenden” gewesen. “Die Bereitschaft zum Verrat auf westlicher Seite war viel größer, als sich das manche Leute vorstellen und wahrhaben wollen.”

Baring sagte, der Fall Kurras sei “ganz sicher” im Zusammenhang mit den Versuchen der Stasi zu sehen, West-Berlin zu destabilisieren. Es sei aber noch unklar, “wie weit die Stasi hinter der Sache stand, ob sie Anregungen gegeben hat”, oder ob sie den Waffennarr Kurras “indirekt ermuntert” habe, fügte er mit Blick auf den Tod von Ohnesorg hinzu. Jedenfalls habe der DDR-Geheimdienst von der damaligen Tat profitiert. Die “Entlarvung des faschistischen West-Berliner Polizeiapparats” habe ungeheuer gut ins Bild gepasst.

Der damalige Kriminalbeamte Kurras hatte am 2. Juni 1967 am Rande einer Demonstration den Studenten Benno Ohnesorg erschossen. Dessen Tod löste eine Radikalisierung der Studentenbewegung im Westen aus. Das Landgericht Berlin sprach Kurras noch im gleichen Jahr mangels Beweisen vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei. Mitarbeiter der Stasi-Unterlagenbehörde fanden nun Akten, wonach Kurras seinerzeit für die DDR-Staatssicherheit arbeitete. Hinweise auf einen Auftragsmord gibt es aber nicht.

Aus Sicht des Staatsrechtlers Rupert Scholz stellt sich wegen der Spionagetätigkeit von Kurras die “Frage der Neubewertung” seiner Pensionsansprüche. Dies gelte unabhängig von den tödlichen Schüssen auf Ohnesorg, sagte Scholz der “Bild”-Zeitung vom Montag. FDP-Vize Rainer Brüderle sagte der Zeitung, es müssten “alle rechtlichen Möglichkeiten gegen Herrn Kurras geprüft werden”. Ähnlich hatte sich zuvor der frühere Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Schütz (SPD), geäußert.

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