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Datenschützer kritisieren Einsatz von Gesichtserkennung bei Klimademo in Wien

Die NGO kritisiert einen rechtswidrigen Einsatz von Gesichtserkennung bei einer Klimademo.
Die NGO kritisiert einen rechtswidrigen Einsatz von Gesichtserkennung bei einer Klimademo. ©APA/HELMUT FOHRINGER (Symbolbild)
Der Einsatz automatisierter Gesichtserkennung bei einer Klimademo führte zu Kritik von Datenschützern. Im März 2023 wurden Aktivisten, die sich nicht ausweisen wollten, fotografiert und später wegen Widerstands angezeigt. KI wurde zur Identifikation genutzt. Die NGO epicenter.works sieht dafür keine Rechtsgrundlage und reichte Beschwerde bei der Datenschutzbehörde ein.

Bei einer Demo gegen die Gaskonferenz in Wien im März 2023 wurden etwa 140 Personen festgenommen. Die Polizei wird wegen übermäßiger Gewalt kritisiert. Gegen viele Demonstranten wurden Verfahren eröffnet, darunter N., der sich nicht ausweisen wollte. Die Polizei fotografierte ihn und leitete daraufhin ein Verfahren ein. Letztlich wurden die Verfahren gegen alle 165 Klimaaktivisten eingestellt.

Datenschützer legen Beschwerde gegen Einsatz von Gesichtserkennung bei Klimademo in Wien ein

Erst auf dezidierte Nachfrage bei der Polizei, wie seine persönlichen Daten verwendet wurden, stellte sich heraus: Die Identifikation erfolgte mittels automatisierter Gesichtserkennung. Dafür fehlt laut epicenter.works die rechtliche Grundlage, die NGO legte in seinem Namen Beschwerde ein. Mit Stand März 2020 waren in der Datenbank des BMI Datensätze von über 600.000 Personen gespeichert - mittlerweile dürften es einige mehr sein. Laut Europäischem Gerichtshof darf der Einsatz solcher Tools nicht beliebig ausgeweitet werden. Über acht Prozent der österreichischen Bevölkerung weise aber jedenfalls auf eine derartige Ausweitung hin, heißt es von der Datenschutz-NGO zur APA.

Diese Technologie ist dabei keinesfalls fehlerfrei. Im Herbst 2023 wurde ein Österreicher in Serbien zwei Monate in U-Haft behalten, da gegen ihn ein internationaler Haftbefehl vorlag, ausgestellt von der Staatsanwaltschaft Graz. Ihm wurde vorgeworfen, Chef einer Falschgeldbande zu sein. Der Vorwurf stützte sich auf ein Video einer Supermarkt-Überwachungskamera. Er wurde letztlich freigelassen, als seine Unschuld festgestellt wurde. Auch im konkreten Fall seien Personen falsch identifiziert und Verfahren gegen Menschen eingeleitet worden, die gar nicht an der Demo teilnahmen, so die NGO.

Datenschützer sehen Gefahr von Willkür durch Einsatz von Gesichtserkennung

N. fordert für den Einsatz von Gesichtserkennungssoftwares klare Regeln: "Solche Gesichtserkennungssoftwares sind rechtlich hochproblematisch und sollten eigentlich nicht zum Einsatz kommen - und wenn es zwingend notwendig erscheint, dann nur unter klaren Regeln und keinesfalls gegen politische Demonstrationen", sagt er im Gespräch mit der APA. Das sieht auch Sebastian Kneidinger von epicenter.works so: "Wir sehen in Ländern wie Ungarn, wie Gesichtserkennung auch gezielt zur Einschränkung von Protesten eingesetzt werden kann. Solche Entwicklungen dürfen in einer Demokratie keinen Platz haben".

Grundsätzlich wurde mit dem AI Act ein EU-Gesetz geschaffen, um risikoreiche KI-Einsätze wie Gesichtserkennung einzuschränken bzw. zu verbieten (etwa Echtzeit-Gesichtserkennung im öffentlichen Raum). Davon ausgenommen sind jedoch Angelegenheiten der "nationalen Sicherheit". Kneidinger bemängelt das: "Die Gefahren durch den unkontrollierten Einsatz Künstlicher Intelligenz zeigen sich längst in der Realität. Genau deshalb braucht es verbindliche Regeln wie den AI Act, um Grundrechte effektiv abzusichern."

Innenministerium verteidigt Einsatz von Gesichtserkennung

Das Innenministerium sieht diese Rechte naturgemäß abgesichert. Der entsprechende Passus sei jedoch überholt und enthalte keine Ausführungen zum Einsatz Künstlicher Intelligenz, so die Datenschützer. In der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage zum Fall des in Serbien inhaftierten Mannes, hielt Minister Gerhard Karner (ÖVP) fest: "Durch den digitalen Bildabgleich erfolgt keine Identifizierung, diese erfolgt immer durch einen Menschen. Weitere Maßnahmen auf Grund des Abgleichergebnisses bedürfen staatsanwaltschaftlicher Anordnungen bzw. einer gerichtlichen Bewilligung. Es erfolgen keine Abgleiche in Echtzeit. Diskriminierungen auf Grund der Hautfarbe, Geschlecht oder anderer Faktoren sind dadurch ausgeschlossen."

"epicenter.works" ist laut Selbstdefinition "Österreichs größte Datenschutzorganisation". Sie führt Gesetzesanalysen durch und wird im Parlament als Sachverständiger hinzugezogen, berät aber unentgeltlich auch Ministerien, etwa bei der "Stopp-Corona-App", oder unterstützt Privatpersonen. Am Donnerstag feiert die NGO ihr 15-jähriges Bestehen in der Brotfabrik.

(APA/Red)

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