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Das Obama-Interview im Wortlaut

US-Präsident Barack Obama zeigt sich sorgenvoll über mögliche globale Folgen der Euro-Krise. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa ruft er die Europäer auf, künftig ihre Haushaltspolitik abzustimmen.

Im Streit um einen Palästinenserstaat droht er ein Veto im UNO-Sicherheitsrat an. Auch in der Kuba-Frage sowie zur Einwanderungspolitik bezieht er klar Stellung. Im Umgang mit der zurückliegenden Wirtschaftskrise seines Landes räumt er zwar Fehler ein, kündigt aber an, weiter hart für seine Ideen – und für seine Wiederwahl – zu kämpfen.

Frage: Mr. Präsident, Sie haben gerade bekanntgegeben, ihren Gesetzentwurf zur Schaffung von Arbeitsplätzen in den Kongress einzubringen. In der Vergangenheit wurden Sie dafür kritisiert, zu viele Kompromisse mit den Republikanern einzugehen. Sind Sie auch diesmal kompromissbereit?

Obama: Jetzt ist die Frage, was für die Wirtschaft getan werden muss. Es ist wichtig, dies in einen globalen Zusammenhang zu stellen. Ganz offensichtlich ist das Wachstum in den USA zum Stillstand gekommen, aber dies ist in der ganzen Welt geschehen. Zum Teil wegen der Ereignisse in Europa, zum Teil wegen des Unglücks in Japan… Wir sehen, dass die Produktion international zurückgeht, die Wachstumszahlen in China, in Südkorea, in großen Teilen Europas.

Wir müssen das tun, was richtig für das Land ist und uns nicht viel um die Politik kümmern. Daher werde ich den gesamten Gesetzentwurf ins Parlament bringen und fordern, dass der gesamte Entwurf verabschiedet wird. Doch wenn lediglich Teile davon durchkommen, werde ich dennoch kein Veto einlegen.

Frage: Beim ersten Konjunkturprogramm gab es gemischte Reaktionen. Was ist bei dem “American Jobs Act” anders?

Obama: Unabhängige Experten haben sich das Programm angeschaut und meinen, es könnte zu zusätzlichen zwei Prozent Wachstum beitragen und 1,9 Millionen Jobs schaffen. Das ist nicht unsere eigene Einschätzung, sondern die Analyse der Ratingagentur Moody’s und anderer unabhängiger Ökonomen.

Daher sind wir zuversichtlich, dass das Programm funktioniert. Aber die Frage ist, ob der Kongress den politischen Willen zur Zustimmung besitzt.

Frage: Machen Sie sich Sorgen, dass die Situation in Europa Folgen für die US-Wirtschaft hat?

Obama: Es gibt keinen Zweifel, dass dies Folgen hat. Wir leben heute in einer integrierten Weltwirtschaft. Das, was jenseits des Atlantiks oder des Pazifiks geschieht, hat gewaltigen Einfluss auf Amerika, auf unseren gesamten Kontinent, nicht nur auf die USA.

Daher versuchen wir intensiv gemeinsam mit den Europäern, diese Krise zu lösen. Letztlich müssen sich die großen Länder in Europa und deren politische Führer zusammenfinden und eine Entscheidung darüber fällen, wie sie die Währungsintegration mit einer effektiveren und abgestimmten Haushaltspolitik zusammenbringen.

Europa hat derzeit zwar eine geeinte Währung, aber es verfügt über keine abgestimmte Wirtschaftspolitik. Und das schafft große Probleme.

Griechenland ist das größte gegenwärtige Problem. Zwar haben die Griechen einige Schritte unternommen, um die Krise aufzuhalten, aber nicht, um sie zu lösen. Das größere Problem aber ist es, was in Spanien und in Italien passiert, falls die Märkte diese beiden großen Märkte herausfordern.

Was wir bilateral und multinational sowie durch den Internationalen Währungsfonds IWF tun, um den Europäern dabei zu helfen, ist ein Paket zu schnüren, das den betroffenen Ländern Zeit zur Anpassung gibt. Aber wenn so viele Länder mit unterschiedlicher Politik und unterschiedlicher ökomonomischer Lage versuchen, sich auf einen Weg zu einigen, ist eine Abstimmung schwierig.

So lange diese Frage nicht gelöst ist, werden wir weiterhin Schwächen in der Weltwirtschaft sehen. Es wird ein wichtiges Thema beim G-20-Gipfel im November werden.

Frage: Was ist Ihr Plan, wenn die Vollversammlung der Vereinten Nationen (UN) den Palästinenserstaat anerkennt? Rufen Sie bereits dazu auf, dies zu verhindern?

Obama: Es ist wichtig zu verstehen, dass die Position meiner Regierung in den vergangenen zweieinhalb Jahren beständig war: Ich glaube, wir können diese Frage nur mit einer Zwei-Staaten-Lösung beilegen, in der wir einen sicheren israelischen Staat an der Seite eines souveränen palästinensischen Staates haben. Und alles, was wir in den vergangenen zweieinhalb Jahren getan haben, wurde so getan, um diese Lösung zu fördern.

Ich trat im vergangenen Jahr persönlich vor der UN-Vollversammlung auf und sagte: Es ist Zeit für einen palästinensischen Staat. Die Herausforderung ist, dass keine der Seiten gewillt war, die notwendigen Kompromisse zu machen, um voranzugehen und das tatsächlich zu erreichen.

Was wir gesagt haben ist, dass es eine Ablenkung ist, vor die UN zu gehen – es löst das Problem nicht. Diese Frage wird nur von den Israelis und Palästinensern gelöst, wenn sie sich einigen.

Was in New York passiert, kann viel Aufmerksamkeit der Medien auf sich ziehen, aber es wird nicht wirklich verändern, was auf dem Boden passiert, bis Palästinenser und Israelis sich hinsetzen und sich auf Grenzfragen einigen, auf Sicherheitsfragen, den Umgang mit Jerusalem, das Rückkehrrecht.

Wir haben nur eine Stimme in der Vollversammlung und es gibt sicher viele Staaten, die darauf vorbereitet sind, mit den Palästinensern zu stimmen, je nachdem, wie die Resolution aussieht. Das ist aber anders vor dem Sicherheitsrat. Wenn dies in den Sicherheitsrat käme, würden wir es sehr deutlich ablehnen, eben weil wir meinen, dass es kontraproduktiv wäre. Wir glauben nicht, dass es tatsächlich zu dem von uns erwünschten Resultat führen würde, nämlich eine Zwei-Staaten-Lösung.

Auf Ebene der Vollversammlung haben wir weniger Einfluss auf den Prozess. Wir werden weiter mit allen beteiligten Parteien sprechen, um sicherzustellen, dass jegliche Aktionen in New York dazu führen, die Parteien an den Verhandlungstisch zurückzubringen, statt sie weiter auseinander zu zerren.

Frage: Was passiert, wenn die Israelis finanzielle Maßnahmen gegen die Palästinenser ergreifen?

Obama: Wir haben versucht die Israelis zu ermutigen, langfristig strategisch zu denken. Die palästinensische Autonomiebehörde hat gute Arbeit geleistet, Sicherheit und Ordnung im Westjordanland zu schaffen. Dafür werden Ressourcen benötigt. Wenn diese Ressourcen plötzlich wegfallen und die Autonomiebehörde nicht mehr in der Lage ist, effektiv selbst für sich zu sorgen und ihre getroffenen Sicherheitsmaßnahmen aufrecht zu erhalten, dann wird das Israel nur schaden, es wird Israel nicht helfen.

Frage: Sind Sie enttäuscht über Kubas Reaktion auf ihre politischen Schritte?

Obama: Unsere Maßnahmen, zusätzliche Überweisungen und Reisen für Familienmitglieder nach Kuba zu ermöglichen, halten wir noch immer für richtig. Es hilft Kubanern in Kuba, andere Einkommensquellen zu haben, ihre Familien zu treffen und neue Vorstellungen und Aufschluss darüber zu bekommen, was außerhalb von Kuba passiert. Wir glauben, dass es mehr Raum innerhalb Kubas für Freiheit und Bürgerrechte schafft.

Die kubanische Regierung hat gesagt, sie wolle sich verändern, der Wirtschaft mehr Freiheit geben. Wir haben keine Beweise gesehen, dass sie ihre Wirtschaftspolitik mit ausreichender Aggressivität ändert. Sie waren sicher nicht aggressiv genug, wenn es darum geht, politische Gefangene freizulassen und Menschen die Möglichkeit zu geben, Ihre Meinung zu äußern.

Wenn man sieht, was in der Welt passiert: Überall Menschen, die nach Freiheit rufen. Die enormen Veränderungen im Mittleren Osten über einen Zeitraum von nur sechs Monaten. Dass in der Welt fast keine autoritären kommunistischen Länder übrig sind. Und dann hast Du hier diese kleine Insel, die in die 60er Jahre zurückgeworfen ist. (…) Dann ist es eindeutig Zeit für das kubanische Regime, sich zu verändern. Wir haben bisher nicht die erwünschten Beweise gesehen, dass es die Möglichkeit nutzt – aber der Wandel wird stattfinden.

Frage: Zum Einwanderungsproblem in den USA: Ist es Zeit, stärker auf eine stärkere Einbeziehung der Republikaner zu drängen? Hispanische Stimmen sind wichtig bei der kommenden Präsidentenwahl.

Obama: Ich war immer ein starker, starker Befürworter einer umfassenden Einwanderungsreform und ich werde es bleiben. Wir werden all unsere Regierungsgewalt nutzen, um die Umsetzung des Gesetzes so human, effektiv und effizient wie möglich zu machen. Wir sollten uns auf gewalttätige Kriminelle konzentrieren. (…) Verfolgt nicht Kinder, die zur Schule gehen oder Leute, die grundsätzlich zur Gesellschaft beitragen.

Aber ich kann das Problem nicht mit den Mitteln der Regierung lösen. Wir können einiges verbessern, aber letztlich ist meine Aufgabe nur, das Gesetz umzusetzen. Darum müssen wir das Gesetz ändern.

Ich glaube nicht, das hispanische Wähler mich nicht dafür bestrafen werden, wenn ich scheitere, die Republikaner davon zu überzeugen, das Richtige zu tun. Ich glaube, sie werden die Republikaner bestrafen, wenn sie die Notwendigkeit nicht ernst nehmen, das kaputte Einwanderungssystem zu reformieren.

Frage: Zu Beginn ihrer Präsidentschaft sagten Sie, lieber nur eine Amtszeit zu haben und eine Politik zu machen, die einen langfristigen Einfluss auf des Leben der Menschen hat, als mit weniger bedeutender Politik die Wiederwahl zu erreichen. Jetzt streben Sie die Wiederwahl an. Denken Sie immer noch so? Bereuen Sie irgendetwas?

Obama: Ich trete zur Wiederwahl an, weil ich denke, dass es immer noch eine Menge Arbeit gibt. Ich glaube, die politischen Vorhaben vieler republikanischer Gegner würden großen Schaden für die Wirtschaft anrichten und nicht unsere langfristigen Probleme lösen. Ich würde nicht antreten, wenn ich nicht dächte, die besseren Ideen für das Land zu haben. Und ich werde für diese Ideen kämpfen.

Wenn ich mir die letzten drei Jahre anschaue, dann glaube ich, wir haben eine sehr, sehr schwierige Situation bewältigt. Nun, wir haben natürlich Fehler gemacht. Wenn Du mit einer so historischen Krise zu tun hast, wie wir sie hatten, dann kann nicht alles perfekt sein, selbst wenn Du gute Entscheidungen triffst. Du triffst sie auf Basis der besten Informationen, über die Du zu einem bestimmten Zeitpunkt verfügst – Du kannst nicht alles unter Kontrolle haben. Nun, damals hatte ich nicht alle Informationen, die ich heute habe.

Aber insgesamt, glaube ich, sind unsere Visionen für das Land und wie Amerika mit der Welt interagiert, richtig. Und ich glaube, dass viele von der anderen Seite präsentierte Ideen Amerika schwächer und weniger wettbewerbsfähig machen. Sie würden unsere Beziehungen mit anderen Ländern verschlechtern.

Wenn Sie eine Umfrage unter politischen Führern in der Welt machen würden, niemand würde sagen, dass es ist einfach ist, die Verantwortung zu tragen. Es ist immer einfach, wenn alles wächst und es einen Boom gibt und die Menschen sich gut fühlen. Wenn Du dann charmant bist und eine gute Rede hältst, ist das vielleicht alles, was Du brauchst. Selbst wenn Du das nicht machst, kommst Du vielleicht gut in Umfragen weg und es ist gar nicht wichtig, wie gut Deine Politik ist.

Wenn die Leute sich aber unter Druck fühlen, die Wirtschaft schrumpft und sie keine Arbeit haben, dann macht sich bei diesem Teil der Wähler Frustration und Ärger breit. Wie meine Frau mich erinnert, habe ich mich freiwillig für diesen Job beworben – und ich kann niemand anderem daran die Schuld geben als mir selbst.

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