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Das Leben ist nicht immer rosig

Yasemin Polat gewinnt mit Herz und Verstand das Vertrauen der Jugendlichen.
Yasemin Polat gewinnt mit Herz und Verstand das Vertrauen der Jugendlichen. ©Edith Rhomberg
 Yasemin Polat setzt im Umgang mit Menschen auf gegenseitiges Vertrauen.
Yasemin Polat

 

Dornbirn. Als Yasemin Polat im anatolischen Dorf Zara als Frühchen das Licht der Welt erblickt, wiegt sie nur 900 Gramm. Man musste die bange Frage stellen, ob es das Kind überhaupt schaffen würde. Die kleine Kämpferin nahm diese Hürde ins Leben erfolgreich an und kam schon bald mit ihren Eltern nach Vorarlberg, wo sie zunächst in Hohenems aufwuchs.

Meistens sieht man Yasemin, die inzwischen in Dornbirn lebt, mit ihrem Jack Russel. Heute ist „die Kleine“ – gemeint ist Nazar, die Hündin – nicht dabei. Wenn die 35-Jährige mehrmals die Worte „klein und zierlich“ ausspricht, ist da nicht das vierbeinige Familienmitglied gemeint, sondern Yasemin selbst. Zum Schmunzeln bringt sie der Gedanke, dass man ihr der zarten Statur wegen gelegentlich nicht so viel zutraut. Aber, wie so oft, trügt der Schein. Dennoch gibt die Dornbirnerin zu bedenken, dass sie „mit großen sportlichen Erfolgen beim Tischfußball oder beim Billard nicht aufwarten kann“. Ihre Stärken liegen viel mehr auf der mentalen Ebene und darin, dass sie sich nicht nur präzise ausdrücken, sondern vor allem auch gut zuhören kann. Das schafft Vertrauen und ist eine wichtige Grundlage an ihrem Arbeitsplatz.

Wir treffen uns außerhalb der Öffnungszeit in der Arena, wo sie seit 2009 als diplomierte Jugendarbeiterin in der Offenen Jugendarbeit Dornbirn (OJAD) tätig ist. „Die Arena ist der beliebte Ort für viele Jugendliche, wo sie sich ohne Konsumzwang treffen, sich austauschen und Sport machen“, fügt sie an. Die jungen Menschen wissen längst, dass Yasemin auch für heikle Fragen ein offenes Ohr hat und dass sie sich ihr anvertrauen können. „Viele Gespräche sind oft nötig, bis durch Verständnis und Empathie die Unterstützung greift und eine Lösung für ein akutes Problem gefunden ist“, erklärt Yasemin Polat, die auch in dem Mobilen Team der OJAD unterwegs ist. Rund um den Bahnhof erlebt sie mitunter Konflikte oder Alltagsrassismus gegenüber Jugendlichen. „Es ist eben nicht immer alles pipifein und rosig“, gibt sie sich realistisch und empfiehlt den Menschen generell, nicht in der Opferrolle zu verharren.

Mentale Stärke und viel Energie schöpfte sie von klein auf aus dem Zusammenhalt ihrer Familie. Sie nennt Berühmtheiten, „von denen man sich was abschauen kann“, wie Mahatma Gandhi oder Türkan Saylan (Autorin und Medizinerin). Ihre größten Vorbilder aber sind die eigenen Eltern die sie lehrten: „Du kannst immer deine Meinung sagen, solang du das mit Respekt und Achtung vor deinem Gegenüber tust.“

Drei mal Geburtstag hat nicht jede

„Klar wurde ich schon oft gefragt, ‚woher kommst du’ und all das. Die familiären Wurzeln sind in Anatolien, ich lebe und arbeite aber hier“, sinniert die junge Frau, die von sich sagt, dreimal Geburtstag feiern zu können. „Ich wollte mich aber nicht für ‚Entweder-Oder’ entscheiden. Ich bin ganz einfach Yasemin, egal wo ich gerade bin“, gibt sie schließlich ihre Antwort zur Herkunft. Geburtstag ist der 29. März, im Pass ist das Geburtsdatum gemäß der örtlichen Tradition die offizielle Registrierung, nämlich mit 1. April eingetragen. Und als dritten Geburtstag bezeichnet sie die Genesung nach einer schweren Erkrankung im Jahr 2018. „Seither haben sich die Prioritäten etwas verschoben“, gibt sie ihre Erfahrung preis. „Wir Menschen müssen nicht nur funktionieren, es muss uns dabei gut gehen“. Gesundheit, Humor und Authentizität gehören im Leben der Jugendarbeiterin seither zu den wichtigsten Werten.

 

Yasemin Polat

Geboren 1.4.1986

Wohnort: Dornbirn

Beruf: Dipl. Jugendarbeiterin

Hobbys: Hündin Nazar, Menschen treffen, Reisen

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