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"Das Leben ein Traum" im Burgtheater

In Träumen kann es drunter und drüber gehen. Da wird vieles durcheinandergewirbelt, was ansonsten streng voneinander getrennt ist. Das dürfte das Grundkonzept von Karin Beier für ihre Annäherung an Calderons "Das Leben ein Traum" gewesen sein. Bilder:

Ihre Burgtheater-Inszenierung, die noch kurz vor der gestrigen Premiere von drei Stunden (mit Pause) auf zwei Stunden (ohne Pause) gestrafft worden war, erwies sich als bunter Patchwork der Stile, ohne eine klare Linie erkennen zu lassen.

Es beginnt mit einem typischen Zadek-Setting: Rund um die leere Spielfläche stehen einfache Holzsessel vor Papierwänden. Aber nicht nur die Schauspieler dürfen zusehen, wenn Nicholas Ofczarek als weggesperrter Thronfolger Sigismund vorgestellt wird, auch ein ganzes Streicherensemble ist auf der Bühne präsent. Warum, weiß keiner, und auch die Regisseurin verliert mit Fortdauer des Abends zunehmend die Lust an der Kammermusik, lässt den rasenden Sigismund ein Cello zertrümmern, und setzt lieber auf Musikeinspielungen von der Tanzmusik bis zum Rock.

Ofczarek setzt als wegen einer bösen Weissagung aus dem Nest geworfener und vom Rest der Menschheit isolierter Gefangener im Schlabber-Pulli zu einem wahren Flug über das Kuckucksnest an, rast und tobt, singt und springt. Im Experiment, ob er wirklich so böse ist wie prophezeit, wird er von seiner Umgebung (darunter der hervorragende Martin Reinke als Clotald) mit Psychotricks ruhiggestellt: “Vielleicht ist alles nur ein Traum?” Dumm nur, dass der Sohn, dessen Treiben Peter Simonischek als auf Krücken gehender König Basilius von einer kleinen Zuschauertribüne aus mit Interesse zusieht, am Ende ein probates Mittel findet, um zwischen Traum und Schaum, Realität und Einbildung zu unterscheiden: “Nur wer stirbt, ist echt!”

Da ist die Inszenierung, in der Randfiguren wie Astolf (Johannes Krisch), Estrella (Myriam Schröder) oder Rosaura (Christiane von Poelnitz) mehr zur Verwirrung als zur Klarheit beitragen, allerdings schon im Klamauk angekommen: Johannes Terne als schießwütiger Revolutionär, das Regentschafts-Comeback von Sigismund als lustige Karnevals-Show mit Konfetti, Zimmerfeuerwerk und Popcorn, das Wechseln von der modernen Reimfassung (“Du bist kein Mensch, du bist ein Tier!” – “Da sagst Du nicht viel Neues mir!”) zum schnoddrigen Alltagstonfall, erratische Monolog-Reste und ein plötzliches Outing von Sigismund als milder Regent samt verblüfften Kommentaren des Hofes (“Ist ja toll”, “Ist ja großartig”, “Ist ja phantastisch”) – all’ das möchte auch der Zuschauer am liebsten nur geträumt haben.

Nicht, dass die Frage “Wer bin ich?”, die dieses Barockdrama zeitlos aktuell macht, am Ende trotz des Aufwandes unbeantwortet bleibt, verärgert – sondern, dass sie gar nicht erst ernsthaft gestellt wurde. Dennoch viel Applaus.

Probenbilder: Burgtheater: Das Leben ein Traum

Von Wolfgang Huber-Lang/APA

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