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Das Ende einer Ära

Noch bevor Jose Maria Aznar 1996 zum spanischen Ministerpräsidenten gewählt wurde, gab er ein Versprechen ab. „Zwei Amtszeiten sind genug.

Länger werde ich nicht an der Regierung bleiben.“ Niemand nahm diese Ankündigung damals wirklich ernst. Aber Aznar hielt sein Wort. Bei der Parlamentswahl am 14. März wird der konservative Regierungschef nicht mehr kandidieren.

Sein Abtritt von der politischen Bühne bedeutet für Spanien das Ende einer Ära. Die acht Jahre, in denen Aznar die Geschicke des Landes gelenkt hat, werden als eine Zeit wirtschaftlicher Blüte in die Annalen eingehen. Spanien wurde zu einer der dynamischsten Ökonomien in Europa. Es entstanden vier Millionen neue Arbeitsplätze, die Wirtschaftskraft wuchs um 30 Prozent.

Einen solchen Erfolg hatte Aznar anfangs kaum jemand zugetraut. Dem einstigen Finanzbeamten haftete das Image eines Starrkopfes an, dem jegliches Charisma fehlte. Manche hatten ihn auch wegen einer gewissen Ähnlichkeit mit dem Komiker Charlie Chaplin belächelt. „Aznar ist der Mann, der hinter dem Boom steckt“, feiert nun das US- Magazin „Newsweek“ den Regierungschef. „Er ist der Architekt des spanischen Wirtschaftswunders.“ Die Leser in Spanien wunderten sich allerdings, dass das Blatt Barcelona als ein leuchtendes Beispiel präsentierte. In der katalanischen Metropole regiert die Linke.

Ihren zweiten großen Erfolg konnte die Regierung Aznar im Kampf gegen den Terrorismus verbuchen. Die ETA wurde durch die Festnahme zahlloser Terroristen und das Verbot von Parteien und Gruppierungen aus dem Umfeld erheblich geschwächt. Manche Experten prophezeiten gar das baldige Ende der baskischen Untergrundorganisation.

Die Bilanz der Regierung Aznars weist allerdings auch Schattenseiten auf. Die Zeitung „El Mundo“ stellte dem scheidenden Ministerpräsidenten ein Zeugnis aus, in dem sie neben zwei Mal „sehr gut“ und „gut“ auch für zwei Bereiche die Note „mangelhaft“ vergab. Der schwärzeste Punkt der Ära Aznars war nach Einschätzung vieler Kommentatoren die Außenpolitik.

Der Regierungschef hatte – quasi im Alleingang und gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung – die spanische Diplomatie auf völlig neue Grundlagen gestellt. Er betrieb eine Annäherung an die USA und unterstützte den Krieg gegen den Irak. Zugleich ging Aznar auf Distanz zu Frankreich und Deutschland, die bisher als die engsten Verbündeten gegolten hatten.

Eher schlechte Noten erhielt Aznar auch für seinen Kurs gegenüber den „widerspenstigen“ Regionen Katalonien und Baskenland. Er musste sich vorwerfen lassen, mit seinem brüsken Stil dazu beigetragen zu haben, dass viele Basken und Katalanen von Spanien nichts mehr wissen wollen. Aznar dagegen ist sich sicher, gute Arbeit geleistet zu haben. „Ich gehe ruhigen Gewissens.“

Sein Verzicht auf ein neues Mandat ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Erstens kommt so etwas in er Politik selten vor. Zweitens hätte Aznar nach den Umfragen beste Aussichten auf einen neuen Wahlsieg gehabt. Und mit 50 Jahren ist er vom Pensionsalter noch weit entfernt.

Was er nach den Wahlen tun wird, ist ein Mysterium. Eine Zeit lang war spekuliert worden, er könne als Nachfolger von Romano Prodi Präsident der EU-Kommission werden. Seit der Abkühlung der Beziehungen zu Paris und Berlin gilt dies jedoch als ausgeschlossen. Die Führung der Volkspartei (PP) trat er bereits an Mariano Rajoy ab. „Ich ziehe mich nicht nur halb zurück, sondern ich gehe ganz.“ Und dem Nachfolger versprach er: „Ich werde ihm nicht zur Last fallen.“ Bisher weiß man nur, dass Aznar den Vorsitz einer Stiftung übernehmen wird.

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