Armin Hörburger, 6943 Riefensberg 127
Riefensberg. Das Dorf an der Grenze hat ein Wahrzeichen: Der “Kojenstein”. Von den Einheimischen einfach “Kujestui” geheißen. “An der Grenze” ist zwar ein überholter Begriff, aber hier ist Voarlberg und drüben eben Bayern.
Als Kurt mir kürzlich telefonierte: morgen ist Schönwetter, gehen wir den alten Weg zum “Kuje”, da war ich natürlich gleich dabei. Am folgenden Morgen brachte uns Kurt`s Frau Fini mit dem Auto zur Zimmeregg (vielleicht auch Simmeregg, nach ihrem ursprünglichen Besitzer Simon). Von der Autostraße zum Skigebiet Hochhäderich zweigt dort der alte Weg zum Kojental ab. Er bestand seit Jahrhunderten, noch bevor eine Seilbahn das Tal mit seinen ergiebigen Torfbeständen erschloss und dort das Torfwerk gebaut wurde. Später kam dann noch die Privatstraße dazu, das bekannte Skigebiet Hochhäderich wurde errichtet. Es ist heute Vielen bekannt. Das Hochmoor mit seinen riesigen Torbeständen ist längst vergessen. Das Kojen Hochmoor mit den schönen Latschenbeständen erinnert noch daran. Im Winter ziehen durch das herrliche Gebiet die Spuren der Langlaufloipen. Unter der meterdicken Schneedecke murmelt der Lanzenbach, bevor er das Grenzgebiet verlässt und am Fuße des Hochgrat in die Weißach mündet.
Bei der alten Zimmeregghütte, talseitig der neuen Straße biegt der Weg ab. Wir sahen dort im Grasboden noch die alte Trasse des Weges. Er führt an der Hütte vorbei in das Gebiet des Geizbaches. Als Übergang dient dort noch eine Bogenbrücke, aus Steinen zusammengebaut. Das alte Bauwerk, direkt am unteren Ende, bevor sich der Geizbach über einen Wasserfall in die Tiefe stürzt, konnten wir nur mit großem Staunen bewundern. Bevor diese Brücke gebaut werden konnte, musste eine aufwendige Schalung im Bachbett errichtet werden. Die einzelnen Steine wurden passgenau im zu einem Bogen gefügt , so dass sich die Brücke nach dem Einbau aller Steine selbst verspannte und trug. Ein Meisterwerk zu der damaligen Zeit; ein Meisterwerk das auch in Jahrhunderten die darauf sich bewegenden Lasten trug.
Der Weg von der Zimmeregg zur Kojenwirtschaft, früher Schnapshütte, führt von dieser Brücke talaufwärts. Er wird heute nur noch als Fußpfad benützt. Bergseitig steht der Weg an vielen Stellen am offenen Nagelfluhfelsen an. Talseitig versinkt er großteils im sumpfigen Erdreich, ideal als nicht markierter Fußweg. In einer Waldlichtung, vor uns die Schnapshütte, zweigen wir über Viehpfade und Farnwiesen zum Kojenstein. Das ist ein markanter Felsvorsprung im Fluhkamm. Von hier schweift der Blick über das Weißachtal und reicht am Horizont zum Rheintal und Bodensee hin. Unten im Tal liegt Riefensberg, das Dorf an der Grenze, mit weit verzweigten Ortsteilen. Der Kojenstein mit seinem Gipfelkreuz schließt das Weißachtal ab. Als wir unser Brot aus dem Rucksack auspackten kam außerhalb der Umzäunung eine Ziege, offenbar, um bei unserer Brotzeit mitzuhalten. Da fiel mir die Sage vom Kujenloch ein, denn die Ziege stand unmittelbar vor dem Felsabgrund. Unter der Felskanzel führt noch das Kujenloch durch, in dem , nach alter Sage, das Weiblein mit dem Butterfaß haust.
Nach ausgiebiger Stärkung wanderten wir entlang des Fluhkammes, vorbei am Platz der”Schweizer Buche” und den Resten der Materialbahn zum “Steinernen Tor”. Unser Rastplatz war bei der Hütte des ehemaligen Zollamtes Springen. Hier verbrachten, wie mir Kurt erzählte, die Zollbeamten nach langem Aufstieg ihren Dienst und konnten das ganze Kojental überblicken. Im Frühjahr und Herbst, wenn die Bauern in ihre auf deutschem Gebiet liegenden Alpen zogen, hatten die Beamten im Kojen-Hochtal sogar ihre Abfertigungstage.
Durch das “Steinerne Tor”, einem Felsdurchbruch des Fluhkammes, auch schon seit Jahrhunderten als Fuß- und Saumweg von Älplern benutzt, sagten wir dem schönen Kojental Ade und wanderten hinüber in das Weißachtal. Wo im Winter eine Schiabfahrt vom Häderich über das Steinerne Tor, Alpe Nollen, und Elmauen bis zum Dorf Riefensberg möglich war, ist heute das Gelände mit Büschen und Jungwald zugewachsen. Hier hinab brachten die Holzer im Winter aus den Wäldern die Fichtenblöcke auf ihren “Hasen” ( eine Spezialanfertigung von Hornerschlitten):. Die Nummern an den Hütten und Häusern am Nollen und in Elmauen zeugen noch davon, daß sie ganzjährig besiedelt waren.
Von Elmauen führt eine Strasse jetzt über Hochlitten, das wiederum direkt an der Grenze liegt, direkt hinab in das Dorf. Wir aber wandern über Kronewirts Viehweide auf dem alten Weg durch eine Hohlgasse. Am Ende dieser Hohlgasse liegt vor uns mayestätisch das Dorf Riefensberg. Vom Kojenstein oben war es wie eine zusammengeduckte Anhäufung von kleinen Häusern, aus denen der weißgetünchte Kirchturm ragte. Hier, wo der Weg direkt zum Dorf führt, konnten wir vieles, vor allem die Veränderungen der Jahre aus der Nähe sehen. Gleich am Weg an der Einmündung in die Landstraße musste die Seilbahnhütte weichen ,von der aus sich das Drahtseil über Elmauen, Nollen und den Fluhkamm in das Kojental spannte, um den gewonnenen Torf in das Tal zu befördern. Daneben stand in vergangenen Jahren ein altes Bauernhaus , an dem vorbei sich die Straße nach Auen, Stapfen und weiter in das Gschlief teilte. Fußgänger und niedere Fahrzeuge, wie Pferd und Wagen, konnten unter der Tenneneinfahrt durch.- Bei der alten Krone, ehemals traditionelle Gastwirtschaft und Bauernhaus, ist heute die hölzerne Rückwand aufgerissen und die Juppenwerkstatt mit Museum untergebracht. An die aufgerissene Rückwand des traditionsreichen Hauses muss man sich zuerst gewöhnen. Wir schlenderten durch das Dorf, vorbei am neuen Schulplatz und der Volksschule, sehen zur Linken in Gedanken das alte Schulhaus. Heute ist dort das Gemeindeamt mit einigen Sozialwohnungen. Auf der anderen Seite war zu alten Zeiten eine Bäckerei mit Gemischtwarenhandlung. Heute ist, etwas weiter zurück, der Gemeindesaal,und ein modernes Lebensmittelgeschäft. Auch das Postamt war zuletzt hier untergebracht. Es ist inzwischen geschlossen. Das ehemalige Postamt ist zu einem Frisörladen umfunktioniert. Diese Arbeiten werden nun im Lebensmittelgeschäft. erledigt. Es ist zugleich auch Postpartner. Dort wo zu alten Zeiten das Postamt war, ist heute ein modernes Bauberatungsbüro. Die Raiffeisenkasse, ehemals Spar- und Darlehenskasse , ist nach Auflassung des Lagerhauses eine Filiale des Bankinstitutes Weißachtal. Auch gegen das Ende des Dorfes hat sich manches verändert. Hinter der Raiffeisenbank ist ein stattlicher Neubau. Daneben das zwischen den Großbauten fast verschwindende Haus des vormaligen Schuldirektors Kohler. Neben ihm die ehemalige Gemischtwarenhandlung Rommler. Das alte Haus musste einem Neubau weichen. Die Verwandte, Frau Gisela und deren Tochter Maria, haben dieses Geschäft noch weiter betrieben. Links davon, auf der anderen Straßenseite, wurde ein neuer Laden in das vormalige Sennhaus gebaut. Inzwischen ist auch dieser Laden aufgelassen. Hier wurde das Cafe Grabherr eingerichtet. Die Sennereigenossenschaft baute daneben einen zeitgemäßen Betrieb. Dort befand sich vormals der genossenschaftliche Schweinestall. Den Abschluß des Dorfes bildet das ehemalige Sattlerhaus. Wer braucht heute noch einen Sattler, im Zeitalter der Traktoren. Autos, der Betteinsätze aus Holz, der Fertigmatratzen und der Wohnlandschaften. Das Sattlerhaus mit Werkstätte wurde abgerissen. Heute steht dort das Mehrfamilienhaus eines Bauunternehmers.Wir kommen an das Ende des Dorfes und unserer Wanderung.. Kurt wohnt in einem Neubau am Dorfrand. So hat sich Riefensberg, und mit ihm die Geschichte des Dorfes an der Grenze, im Lauf der Jahrzehnte verändert.