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Darum sehen Ökonomen wenig Chancen für eine Lohnanpassung an die Inflation 2022

Ökonomen sehen 2022 weniger Chancen für eine Lohnanpassung an die Inflation als in den 1970er-Jahren.
Ökonomen sehen 2022 weniger Chancen für eine Lohnanpassung an die Inflation als in den 1970er-Jahren. ©APA/BARBARA GINDL (Sujet)
Am Montag läutete die Metalltechnische Industrie mit der Forderungsübergabe die Herbstlohnrunde 2022 ein. Die Inflationsrate spielt traditionell dabei eine zentrale Orientierungsgröße.

Die Inflationsrate spielt traditionell eine zentrale Orientierungsgröße, bei den KV-Verhandlungen. Diese schnellte zuletzt auf den höchsten Wert seit Mitte der 1970er-Jahre, eine Zeit, in der die Teuerung in vielen Branchen mit hohen Abschlüssen abgegolten wurde. Im Vergleich zu damals hat sich die wirtschaftliche Lage 2022 aber gewandelt - und damit auch die Ausgangsbasis für die Gespräche.

Wenig Chancen für eine Lohnanpassung an die Inflation 2022

Hintergrund der hohen Teuerung in den 1970er-Jahren war - ähnlich wie heute - eine militärische Auseinandersetzung. Als Reaktion auf die Entwicklungen im Jom-Kippur-Krieg drosselten einige arabische OPEC-Staaten die Ölförderung. Der Preis für den wichtigen Rohstoff stieg infolgedessen vielerorts massiv an, andere Güter wie Lebensmittel zogen mit. 1975 lag hierzulande die Teuerungsrate im Jahresschnitt bei etwa 8,5 Prozent.

Inflations-Entwicklunghängt mit den Energiepreisen zusammen

Was die Entwicklung und die Herkunft der damaligen Inflation betrifft, erkennt der Wifo-Inflationsexperte Josef Baumgartner Parallelen zur heutigen Situation. Denn historisch zeige sich, dass "die Phasen, in denen die Inflationsrate sehr stark angestiegen ist, zusammenfallen mit Phasen, in denen die Energiepreise stark angezogen haben", sagte er im Gespräch mit der APA. Ähnliches beobachte man heute bei den Preisen für Gas, Strom und Treibstoffen, die sich im Zuge des Ukraine-Kriegs kräftig erhöht haben.

Internationale Verflechtung macht Lohnerhöhung 2022 schwieriger

Für die Entwicklung der Gehälter und Löhne in der Gegenwart sieht der Ökonom aber andere Vorzeichen. "Damals sind mehrere Dinge zusammengekommen, die mit der heutigen Zeit kaum vergleichbar sind." So sei etwa die internationale Verflechtung der Wirtschaft und die Möglichkeiten für Unternehmen, ihre Produktion in andere Länder auszulagern, wesentlich geringer gewesen. "Es gab die Importkonkurrenz und das Drohpotenzial, in andere Länder abzusiedeln, nicht oder nur in geringem Ausmaß", führte Baumgartner aus. Zudem sei der Organisierungsgrad der Gewerkschaften wesentlich größer gewesen. "All das macht die Situation heute viel schwieriger, höhere Löhne so durchzusetzen, wie das in den 70er-Jahren möglich war."

1970er-Jahre mit erheblichen Wachstum der Bruttoentgelte

In Österreich waren die 1970er-Jahre von einem erheblichen Wachstum der Bruttoentgelte für Arbeitnehmer geprägt. Im Jahr 1974 etwa erhöhten sich diese nach einer Analyse des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) im Jahresvergleich um 16,5 Prozent, 1975 dann noch einmal um 12,2 Prozent. In dieser Zeit waren auch Kollektivvertragsabschlüsse von 10 Prozent oder mehr in vielen Segmenten keine Seltenheit. Im Handel etwa wurde 1974 ein Plus von 12 Prozent erzielt, 1975 gab es satte 13 Prozent obendrauf.

IHS-Ökonom: Löhne auch durch Produktivität bedingt

Der IHS-Ökonom Helmut Hofer gibt diesbezüglich zu bedenken: "Die Löhne werden auch bestimmt durch die Produktivität und die ist in dieser Zeit doch relativ stark gestiegen", erklärte er gegenüber der APA. Das sei heute in dem Ausmaß nicht mehr der Fall. Außerdem "war Österreich damals noch ein Aufholland", jetzt sei es "ein fortschrittliches Industrieland" in dem das Lohnniveau wesentlich höher liege.

Weniger Produktivität macht es schwer Teuerung in Löhnen zu berücksichtigen

Aus diesem Grund gestalte es sich schwieriger, die hohe Teuerung bei den Nominallöhnen zu berücksichtigen. "Jetzt hat man auch eine verstärkte Konkurrenz, was dazu führen kann, dass dann die Wettbewerbsfähigkeit verloren geht", fügte Hofer hinzu. Bei einer importierten Inflation, wie man sie heute sehe, ergebe sich außerdem das Problem, dass ein Teil des Geldes, das die Konsumenten zahlen, ins Ausland fließe und damit weniger zu verteilen sei. "Je höher ich dann die Löhne mache, desto mehr muss ich den Unternehmen wegnehmen."

Staat habe in 1970er-Jahren weniger Maßnahmen gegen Teuerung gesetzt

Laut Baumgartner sind auch die Auswirkungen der Teuerung für die Menschen - trotz der damals für lange Zeit positiven Reallohnentwicklung und noch dazu höheren Sparzinsen - mit der heutigen Lage schwer vergleichbar. "Wie der Staat heuer eingegriffen hat und im nächsten Jahr noch eingreifen wird, zur Abfederung dieser Wirkungen, das war in den 1970er-Jahren nicht der Fall und auch nicht in den 80er-Jahren in dem Ausmaß." So etwas wie eine Stromkostenbremse oder ähnliche Maßnahmen zum Ausgleich der Teuerung habe es damals nicht oder nur äußerst begrenzt gegeben, argumentiert der Wirtschaftswissenschafter.

Metaller wollen sich mit Paket zur Teuerung nicht begnügen

Die Arbeitnehmervertreter der Metaller wollen sich mit den beschlossenen Paketen zur Abfederung der Teuerung jedenfalls nicht begnügen: Sie fordern angesichts des drohenden Kaufkraftverlusts ein Lohn- und Gehaltsplus von 10,6 Prozent.

(APA/Red)

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