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Da Vinci ein Wiener? Suche nach dem Gral an der Donau

Ohne Dan Brown geht's offenbar nicht. Seine gefinkelten Gedankengänge waren offenbar auch Auslöser für das neueste Buch, das sich mit der Suche nach dem Heiligen Gral, Maria Magdalena, den Templern und anderen Geheimbündlern beschäftigt. Autorin Gabriele Lukacs beweist dabei einiges Geschick.

Lukacs geht einen neuen Weg – und nahm die Fährte des Da Vinci Codes in Wien auf. Sie überrascht dabei mit einigen Entdeckungen selbst eingefleischte Kenner der Bundeshauptstadt.

Mal ehrlich: Wo würde der Heilige Gral mit all seinen verschlüsselten Botschaften und Hintermännern besser hinpassen? Nach Paris, in den Louvre? Zu all den Menschenmassen und der Hektik einer Mega-City? Oder etwa in irgendein eiskaltes, feuchtes Kircherl, hoch droben im ungastlichen Schottland? Den Templer von damals muss es bei dieser Vorstellung ja geschaudert haben, während er gemütlich am Flussufer eines breiten Stromes seine Füße hochlagerte und sich Rebensaft von vorzüglicher Qualität genehmigte. Wenn schon Heiliger Gral und Verschwörungstheorien, lieber Herr Brown, dann bitte in Wien. Denn die Bewohner dieser Stadt sind ja geradezu genetisch darauf programmiert, Gschichtln mit halbwahrem Kern beharrlich durch die Jahrhunderte zu schleppen, um sie mit gekonnt vorgehaltener Hand über die Bassena hinwegzumauscherln.

Die Autorin hat sich auf solche Spielereien aber nicht eingelassen. Sie wollte es genau wissen und – siehe da – musste dazu nicht einmal Schaufel und Spitzhacke zur Hand nehmen. Denn in Wien liegt alles wunderschön vor einem ausgebreitet. In der Schatzkammer der Hofburg zum Beispiel. Dort lagern, für jedermann zugänglich, nicht nur Preziosen von unschätzbarem Wert, sondern auch so manche Mysterien. Zum Beispiel die Heilige Lanze, natürlich getränkt mit dem Blut Christi, oder das Schweißtuch der Veronika mit dem Antlitz Jesu. Selbst die Krone des Heiligen Römischen Reiches soll Botschaften geheimer Natur beinhalten.

Sehr heiß wird es laut Lukacs bei der Suche nach dem Gral in der Nähe einer zehn Kilo schweren Achatschale. Dieses Meisterwerk antiker Schneidekunst soll eine Inschrift beherbergen, die nur bei bestimmten Luft- und Lichtverhältnissen in der Maserung zu sehen sein soll: “B.XRISTO.RI.XXPP.” soll auf das letzte Abendmahl deuten, dem dieses Gefäß höchstselbst beigewohnt hat. Letztmalige Sichtung der Buchstabenreihe: 1953.

Eine waschechte “Rose Line”, wie sie in Browns “Sakrileg” vorkommt, gibt es in Wien ebenfalls. Im Bestseller wurde sie kurzerhand in eine Kirche verlegt; im Stephansdom verläuft sie wahrhaftig mitten durch die geweihten Gewölbe. Eine bescheidene, unbeachtete Bodenplatte markiert den Meridian von Wien. Dabei handelt es sich nicht um das heute noch geläufige Koordinatensystem, sondern auf eine Messmethode, die auf Claudius Ptomelmaeus (150 n. Chr.) zurückgeht. Damals war der westlichste bekannte Punkt die Insel Ferro der Hesperiden, die Kanaren-Insel Hierro. Dort begann die Einteilung mit dem Nullmeridian.

Nun aber schleunigst raus aus der Innenstadt; weg von der Augustinerkirche mit der Schwarzen Madonna, die vielleicht als Maria Magdalena angebetet wird, weil diese ein Kind mit Jesus gehabt haben soll; weg von der Minoritenkirche, die eine weltweit einzigartige und zwölf Tonnen schwere Kopie des Letzten Abendmahles von Leonardo da Vinci beherbergt; weg von all den Reminiszenzen an die Habsburger, deren Blutlinie via Merowinger bis zu Jesus Christus zurückführen soll, wie es eine abenteuerliche Theorie will; hinaus ins Kahlenbergerdorf, wo unser hedonistischer Templer durchaus am Ufer der Donau ein Glaserl Wein gekippt haben könnte – denn: Seinesgleichen war tatsächlich dort.

Die romanische Pfarrkirche dürfte ein ehemalige Templerstätte sein. Sie ist nicht nur in typisch rundem Baustil errichtet, auch die heute noch gepflogenen Bräuche deuten darauf hin. Die Kahlenbergdörfler feiern nämlich den Kirtag jährlich am 29. August, am Festtag der ursprünglichen Johanneskirche – und die Templer widmeten ihre Gotteshäuser stets Johannes dem Täufer. Obwohl bereits seit 1683 “St. Georgskirche”, wird nach wie vor dem Kult um die Johannesschüssel gehuldigt. Dreimal rundherum – und weg ist das Kopf- oder Halsweh. Den Geistlichen wurde dieser Brauch irgendwann zu heidnisch, weshalb sie die Johannesschüssel weiter oben aufhängten. Die Gläubigen warfen daraufhin ihre Kopfbedeckungen eben eine Etage höher – wovon das allgemein gebräuchliche “I hau in Huat drauf” stammt. Fazit der informativen Lektüre: Wien hat den Heiligen Gral eigentlich gar nicht nötig. Die Stadt ist ohnehin voll von geheimnisvollen Skurrilitäten.

“Geheimnisvoller Da Vinci Code in Wien – Verborgene Zeichen & Versteckte Botschaften”;
Gabriele Lukacs, Text / Robert Buchal, Fotos;
erschienen im Pichler Verlag, 2009;
Preis: EUR 24,95

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