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D: Zwischenbericht zu Misshandlungen

18 Fälle, von Demütigung bis hin zu Stromschlägen, detailliert aufgelistet auf 14 Seiten: Das ist der vorläufige Zwischenstand der Untersuchungen zu den Misshandlungsvorwürfen bei der deutschen Bundeswehr.

Das Verteidigungsministerium hat den Bericht dem Verteidigungsausschuss des Bundestages vorlegte.

Soldaten sollen demnach stundenlang gefesselt oder ihnen Säcke über den Kopf gezogen worden sein. Demütigende „Gefangenenbefragungen“ bei Übungen werden aufgelistet, darunter der Fall von zwei Soldatinnen, denen die Augen verbunden und von einem Unteroffizier Obszönitäten ins Ohr geflüstert worden sein sollen. Ein Soldat musste als „Hund“ in eine Hütte kriechen. Doch erwartet das Ministerium noch mehr Vorwürfe: Vier neue Fälle liegen schon vor.

Die neuen Fälle übermittelte der Wehrbeauftragte des Bundestages, Willfried Penner (SPD), wie es in dem Zwischenbericht heißt, der AFP vorliegt. Dabei geht es um drei Übungen zu Geiselnahmen aus den Jahren 1997, 1999 und 2002. Im Fall der Heinrich-Hertz-Kaserne in Daun soll es 1997 auch zu „Scheinhinrichtungen“ gekommen sein. Ein weiterer Fall bezieht sich auf mögliche Schikanen 1995. „Es ist nicht auszuschließen, dass durch die verstärkte Dienstaufsicht, aber auch deutlich gesteigerte Sensibilität im Meldeverhalten in nächster Zeit weitere Einzelfälle bekannt werden“, betont das Ministerium in dem Bericht.

Die meisten der 18 aufgelisteten Fälle, die bereits untersucht werden oder wurden, sind schon bekannt. Dazu zählen die Vorkommnisse im münsterländischen Coesfeld (Nordrhein-Westfalen), wo Rekruten in der Grundausbildung bei einer „Gefangennahme“ gefesselt, mit Wasser übergossen und ihnen Stromstöße zugefügt wurden. Inzwischen werden dem Bericht zufolge 36 Soldaten beschuldigt. Einer Reihe von Soldaten wurde der Dienst verboten, gegen den Kompaniechef läuft ein Disziplinarverfahren.

Neu ist vor allem der Fall an der Schule für Feldjäger und Stabsdienst im bayerischen Sonthofen. In einem „Gefangenenlager“ wurde dort eine Verhörsituation mit verbundenen Augen und gefesselten Händen während der Spezialgrundausbildung geübt. Zwei Soldatinnen sollen demnach mit verbundenen Augen von einem Unteroffizier Obszönitäten ins Ohr geflüstert worden sein. Dabei seien sie von einer weiblichen Hauptgefreiten gestreichelt worden, doch hätten die anderen die Soldatinnen in dem Glauben gelassen, dies werde durch den Unteroffizier vorgenommen. Ein Soldat sei auch aufgefordert worden, einen Hund nachzuahmen und in eine aus Holzscheiten gebaute Hütte zu kriechen.

Das Ministerium betonte abschließend, individuelles Fehlverhalten vor allem in Coesfeld sei nicht zu entschuldigen. „Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass wir unseren Soldaten nicht mehr die Ausbildung geben können, die sie brauchen, um ihre Aufgaben im Einsatz erfüllen zu können.“ Extremsituationen müssten geübt werden. Doch müsse die Ausbildung mit Recht und Gesetz im Einklang stehen. So wird eine überarbeitete Ausbildungsweisung derzeit geprüft.

Grünen-Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei urteilte, dass Coesfeld doch ein besonderer Fall gewesen sei. Andernorts habe das interne Meldewesen funktioniert, sagte er AFP. Auch habe der Aufruf von Verteidigungsminister Peter Struck gewirkt, alle Fälle zu melden. Doch forderte Nachtwei eine weitere Präzisierung der Ausbildungsvorschriften. Übungen müssten „kompetent und verantwortungsvoll“ geleitet werden und nicht als „Indianerspiel“. Direkte Vorgesetzte müssten häufiger vor Ort sein. Beim Heer werde demnächst der Posten eines stellvertretenden Kompaniechefs geschaffen, um die Spitze zu stärken.

In der CSU wurde der Bericht als Hinweis auf „schwere Versäumnisse in der Dienstaufsicht des Verteidigungsministeriums“ gewertet. Verteidigungsexperte Gerd Müller forderte gründliche Reformen. Über den Zwischenbericht soll im Ausschuss mit Struck am nächsten Mittwoch gesprochen werden.

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