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D: Wertheim-Erben gewinnen Karstadt-Prozess

Der angeschlagene deutsche Handelsriese KarstadtQuelle muss nach einer Gerichtsentscheidung die Erben der jüdischen Kaufmannsfamilie Wertheim entschädigen, die von den Nationalsozialisten enteignet worden war.

Dem Konzern drohen nun Zahlungen in dreistelliger Millionenhöhe. Der Kurs der KarstadtQuelle-Aktie brach zeitweise um mehr als sieben Prozent ein. Das Verwaltungsgericht Berlin wies am Freitag eine Klage des Kaufhaus-Konzerns ab, der sich selbst als Rechtsnachfolger der Wertheim-Gesellschafter betrachtet. Anspruch auf Wiedergutmachung hätten jedoch die ursprünglich Geschädigten beziehungsweise ihre Erben, urteilten die Richter.

Eine Revision ließ das Gericht nicht zu. Die Konzern-Anwälte kündigten jedoch Beschwerde dagegen an. In dem Musterprozess ging es um zwei nebeneinander liegende Flächen an der Leipziger Straße in Berlin-Mitte, die zum früheren Wertheim-Stammsitzes gehörten.

KarstadtQuelle-Sprecher Jörg Howe sagte: „Die Substanz des Unternehmens ist aber durch keine wie auch immer geartete Entscheidung gefährdet.“ Der Streit werde an das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gehen. KarstadtQuelle habe die Geschäftsanteile ordnungsgemäß erworben. Über den Wert der umstrittenen Grundstücke wollte sich Howe nicht äußern: „Ich weigere mich, eine Zahl anzugeben.“

Die Grundstücke in Berlin-Mitte, die früher Teil des Wertheim-Stammsitzes waren, gehören heute zur KarstadtQuelle AG. Das Unternehmen hatte Klage gegen einen Behördenbescheid von 2001 eingereicht, wonach der Jewish Claims Conference (JCC) als Vertreterin der Wertheim-Familie Anspruch auf Wiedergutmachung anerkannt worden war. Der Erlös aus dem Verkauf, der auf 17 bis 20 Millionen Euro geschätzt wurde, stehe dem JCC zu, urteilten nun die Richter.

„Wir hoffen, dass Karstadt sich nun endlich eines Besseren besinnt und den moralischen und finanziellen Anspruch der Claims Conference und der Familie Wertheim auf diese Grundstücke anerkennt“, sagte Gideon Taylor, Vizepräsident der Claims Conference. Die JCC gehe nun davon aus, dass dieses Grundsatzurteil dazu führen werde, dass das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen in allen weiteren offenen Wertheim-Verfahren kurzfristig eine Entscheidung treffen könne.

Die Sprecherin der bis zu 50 überlebenden Wertheim-Erben, Barbara Principe, zeigte sich nach dem Urteil glücklich. „Das ist ein großer Tag für unsere Familie“, sagte die 72-jährige Tochter von Günther Wertheim. „Es sind die Opfer, und es ist nicht das große Handelsunternehmen, die beraubt worden sind.“ Sie habe der Gerechtigkeit deutscher Gerichte immer vertraut.

Insgesamt geht es in dem Streit um sieben Liegenschaften im Zentrum Berlins mit einem Wert von bis zu 500 Millionen Euro. Der Berliner Anwalt der Wertheim-Erben, Matthias Druba, sagte, auf KarstadtQuelle könnten insgesamt Forderungen in Höhe von etwa 170 Millionen Euro zukommen. Hintergrund sei vor allem der Streit um das ebenfalls zu den enteigneten Wertheim-Flächen gehörende „Lenne-Dreieck“ am Potsdamer Platz. Dies hatte KarstadtQuelle für 145 Millionen Euro an den Gründer und Großaktionär des Metro-Konzerns, Otto Beisheim, verkauft.

Von dem Streit um die Ansprüche der Wertheim-Erben sind auch der Deutsche Bundestag als Bauherr des Marie-Elisabeth-Lüders-Haus im Parlamentsviertel sowie die Beisheim-Holding am Potsdamer Platz mit zwei dort errichteten Luxushotels betroffen. Auch diese Flächen gehörte den Wertheims. Der Bund habe die Ansprüche bereits vorbehaltlos anerkannt, sagte Druba.

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