D: Streit um Erstarken der NPD
Deren Arbeitsmarktpolitik mit über fünf Millionen Arbeitslosen sei mit ein Grund für das Erstarken der Rechtsradikalen, sagt Kauder der Bild-Zeitung vom Samstag. Demgegenüber wies Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) allen etablierten Parteien eine Mitschuld zu, weil sie sich aus dem vorpolitischen Raum zurückgezogen hätten. Wenn man dort Platz macht, darf man sich nicht wundern, wenn andere nachrücken, sagte Schröder der Welt am Sonntag.
Schröder verwies darauf, dass die NPD erfolgreich dabei sei, etwa mit Jugendcafés oder Nachbarschaftstreffs Breitenwirkung zu entfalten. Der Rückzug der etablierten Parteien, vielleicht mit Ausnahme der PDS, aus dem vorpolitischen Raum ist ein Fehler, der aufgearbeitet werden muss, keine Frage, sagte der Kanzler. In der Debatte um einen neuen NPD-Verbotsantrag sieht Schröder weiterhin gute Chancen, dass die Partei doch noch verboten werden könnte. Mit Blick auf das Bundesverfassungsgericht begründete der Kanzler seine Zuversicht in der WamS mit Lernfortschritten auf allen Seiten.
SPD-Chef Franz Müntefering sieht die Schuld am NPD-Erfolg in Sachsen vor allem bei deren Wählern und nicht bei den demokratischen Parteien. Wer mit der Politik der SPD nicht einverstanden sei, könne sich mit der Partei streiten, aber man wählt nicht aus Protest Nazis, das lässt sich nicht rechtfertigen, sagte Müntefering am Samstag auf einer SPD-Delegiertenversammlung in Bochum. Auf dem Landesparteitag der nordrhein-westfälischen SPD in Bochum warf Müntefering dem bayrischen CSU-Chef Edmund Stoiber Bösartigkeit in der Diskussion um die NPD-Erfolge vor. Mit kalkulierten Äußerungen habe Stoiber versucht, die SPD zu diskreditieren.
Unterdessen wies der Chef des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo, Hans Werner Sinn, die These der Opposition zurück, Rot-Grün sei allein Schuld am Erstarken der Rechten. Die politische Radikalisierung von Arbeitslosen sei zwar ein unmittelbarer Reflex der Misere am Arbeitsmarkt, falsch sei es jedoch die Jobmisere allein der Bundesregierung anzulasten, sagte Sinn der Berliner Zeitung vom Samstag. Der Experte verwies zur Begründung darauf, dass sich die Arbeitslosigkeit über 35 Jahre aufgebaut habe. Die Schuld dafür wird von vielen Regierungen geteilt, auch von solchen, an denen die CDU/CSU beteiligt war, sagte Sinn.
Die Oldenburger Nordwest-Zeitung und andere Blätter meldeten, die Bundesregierung wolle noch vor dem Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai einen neuen NPD-Verbotsantrag stellen. Unter Berufung auf Regierungskreise hieß es, ein neues Verfahren in Karlsruhe müsse sich nicht mehr allein auf die kritisierten V-Männer des Verfassungsschutzes stützen, um die Verfassungsfeindlichkeit der NPD zu belegen. Äußerungen von NPD-Mitgliedern und deren aggressives Auftreten im sächsischen Landtag und andernorts reichten aus. Die Innenminister der Länder hatten dagegen noch am Freitag erklärt, sie sähen derzeit keine Chance für einen erneuten Antrag auf NPD-Verbot.
Die rechtsextremistische NPD selbst erwägt eine Verfassungsklage gegen die von der Rot-Grün-Regierung angekündigte Verschärfung des Versammlungs- und Strafrechts. Parteichef Udo Voigt bezeichnete die Pläne in der Welt als reine Schaufenstergesetze. Ein neuerliches Verbotsverfahren bezeichnete der NPD-Chef als kostenlose Werbung für den Einzug in den Bundestag 2006.