D: Startschuss zu heißem Wahlkampf
Mit fast hundertprozentiger Zustimmung wurde er von der niedersächsischen SPD zum Spitzenkandidaten nominiert. Den Unionsparteien warf Schröder vor, keine Konzepte für die Zukunft zu haben. Er erinnerte an 2002, als ebenfalls im Sommer vor der Bundestagswahl viele Menschen bereits die Union als Sieger gesehen hätten und die SPD dann doch gewonnen hatte. Lasst uns gemeinsam kämpfen, dass es wieder so wird. Warum denn nicht?, sagte der Regierungschef.
Deutschland sei in den vergangenen sieben Jahren unter der SPD-geführten Regierung ein geachteter Partner in der Welt geworden. Die SPD habe das Land aus der Erstarrung herausgeholt, in die Union und FDP es in den neunziger Jahren geführt hätten, betonte Schröder. Da gibt es ja jetzt welche, die meinen, sie sollten wieder ran, und die alles in Bausch und Bogen verdammen, was wir gemacht haben. Die ranzulassen, hieße nun wirklich, den Bock zum Gärtner zu machen, rief er unter dem Beifall der Delegierten. Die frühere CDU-geführte Regierung unter Kanzler Helmut Kohl und Ministerin Angela Merkel habe schlicht gepennt, als es darum gegangen sei, auf die Herausforderungen von Globalisierung und Alterung der Gesellschaft zu reagieren. Scharfe Angriffe richtete der Kanzler auch gegen Ex-SPD-Chef Oskar Lafontaine, dem er vorwarf, vor der Verantwortung geflohen zu sein und Anleihen im rechten Sumpf zu machen.
Grünen-Chefin Claudia Roth hob unterdessen auf der Delegiertenkonferenz in Berlin die Erfolge ihrer Partei in der rot-grünen Koalition hervor: Deutschland ist grüner geworden, und das ist eine gute Bilanz, sagte Roth vor den Delegierten. Ökologische Verantwortung sei kein grüner Luxus, sondern eine zentrale Überlebensfrage. Das werde im Wahlprogramm deutlich werden. Sie verwies auf die Fortschritte bei den erneuerbaren Energien. Mit Blickrichtung auf die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik forderte Roth die Anhebung der Regelsätze für das Arbeitslosengeld II. Grünes Ziel sei eine armutsfeste Grundsicherung. Anders als das Linksbündnis aus PDS und WASG verenge ihre Partei Gerechtigkeit nicht auf Verteilungsgerechtigkeit. Die Sozialdemokraten hätten sich oftmals als strukturkonservativ erwiesen.
Schröder lässt nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel vorsorglich ein Dossier mit Äußerungen prominenter Agenda-Kritiker aus den Reihen von SPD und Grünen erstellen, um es Bundespräsident Horst Köhler vorzulegen, falls dieser Zweifel daran hegen sollte, dass der Regierungschef tatsächlich nicht mehr auf das stetige Vertrauen der Mehrheit im Parlament bauen kann. Dies ist nach Artikel 68 des Grundgesetzes die Voraussetzung für die Auflösung des Bundestags durch das Staatsoberhaupt und vorgezogene Neuwahlen.
Nach zähen Verhandlungen haben CDU und CSU ihr Wahlprogramm für einen Regierungswechsel fertig gestellt und sich endgültig auf tief greifende Reformanstrengungen nach einem angestrebten Wahlsieg bis 2007 verständigt. Nach dpa-Informationen enthält das Regierungsprogramm, das am Montag Kanzlerkandidatin und CDU-Chefin Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber vorstellen werden, folgende Kernpunkte: Reduzierung der Lohnnebenkosten einschließlich eines Radikal-Umbaus der gesetzlichen Krankenversicherung, die Einführung eines Kinderbonus in der Rentenversicherung, eine grundlegende Steuerreform sowie deutliche Korrekturen im Arbeits- und Tarifrecht.
Die FDP lehnt die von den Unionsparteien angestrebte Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent weiter strikt ab. Nötig seien Steuerentlastungen, und nicht Erhöhungen, sagte der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle der Zeitung Bild am Sonntag. Die FDP werde alles daran setzen, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zu verhindern.
Der PDS-Politiker Gregor Gysi und Lafontaine wollen eine künftige Fraktion der neuen Linkspartei im Bundestag gemeinsam führen. Der PDS-Spitzenkandidat Gysi und ich streben für die Fraktion der neuen Linkspartei eine Doppelspitze an, sagte Lafontaine dem Nachrichtenmagazin Focus. SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter verschärfte seine Kritik an der Linkspartei. Lafontaine mausert sich ja inzwischen zu einem kleinen Haider. Das ist schon gefährlich, sagte Benneter der Rhein-Neckar-Zeitung. Lafontaines Umgang mit dem Begriff Fremdarbeiter zeige, dass es ihm offensichtlich darum gehe, die Protestwähler aller politischen Richtungen zu sammeln. Eine Koalition der SPD mit der Linkspartei schloss Benneter kategorisch aus.