Als die Wagenkolonne des Präsidenten in der Dresdner Altstadt vor dem Schloss eintraf und Putin ausstieg, schallten ihm Mörder – Mörder Rufe entgegen. Ein Demonstrant hielt zudem ein Pappschild mit der Aufschrift in die Luft: Mörder – du bist hier nicht mehr willkommen.
In Moskau war am Samstag die regierungskritische Journalistin Anna Politkowskaja ermordet worden. Die auch von der deutschen Regierung scharf verurteilte Tat überschattet den Deutschlandbesuch Putins, dessen Regierung wiederholt wegen ihrer Einflussnahme auf die Medien ins Visier der Kritik geraten ist.
Putin wurde am Nachmittag vor dem Dresdner Schloss von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßt. Zusammen besichtigten die beiden das Grüne Gewölbe, die erst kürzlich wiedereröffnete Barock-Schatzkammer. Gemeinsam gingen sie durch die aufwendig renovierten Räume mit kostbaren Edelsteinen, Figuren und Pokalen. Im weiteren Verlauf des Nachmittags sind dann politische Gespräche zwischen Merkel und Putin vorgesehen sowie beider Teilnahme am deutsch-russischen Forum Petersberger Dialog. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm hatte angekündigt, dass Merkel dabei für die Einhaltung demokratischer Grundwerte in Russland appellieren und ein Signal für Meinungsfreiheit setzen werde. Der Petersburger Dialog, ein deutsch-russisches Expertentreffen, war am Montag mit einer Schweigeminute für Anna Politkowskaja eröffnet worden.
Nach den offiziellen Terminen sind am Abend ein internes Gespräch und ein Abendessen geplant. Dabei soll es auch um die Georgien-Krise gehen. Ferner dürften sich Merkel und Putin mit möglichen Reaktionen auf den Atomtest Nordkoreas befassen. Die deutsche Gesellschaft für bedrohte Völker hatte am Rande der Begegnung eine Protestaktion gegen Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien angekündigt.
Wladimir Putin hat knapp fünf Jahre seines Lebens in Dresden verbracht. Über diese Zeit von 1985 bis 1990 ist nur wenig bekannt. Putin arbeitete damals für den sowjetischen Geheimdienst KGB – ein gewisse Zurückhaltung war ihm quasi von Berufs wegen auferlegt.
Deutsche, die mit ihm privaten Kontakt hatten, beschreiben ihn als zurückhaltend und höflich. Am Wochenende sei er gern mit der Familie in die Sächsische Schweiz zum Wandern gefahren. In Moritzburg wurde Putin als Angler gesichtet. Angeblich hat er damals ein Gehalt von 1.800 DDR-Mark und 100 Dollar Zulage pro Monat erhalten – für realsozialistische Verhältnisse ein stattliches Salär.
Putin lebte mit Frau und zwei Töchtern in einem Plattenbau im Norden der Stadt. Seine Dienststelle lag nicht weit von der Drei-Zimmer-Wohnung entfernt. Dem Vernehmen nach soll er Agenten für eine Tätigkeit im Westen angeleitet haben. 1990 soll er erfolglos versucht haben, einstige Stasi-Leute für den KGB zu werben. Übereinstimmend berichten Zeugen, dass Putin zur Wende im Herbst 1989 vor der KGB-Zentrale eine wütende Menge von Demonstranten von der Erstürmung des Geländes abhielt. Anfang 1990 ging er mit seiner Familie zurück in seine Heimat.