D: Neuwahlen verunsichern Verbraucher
Trotz der Ankündigung von Neuwahlen für den Herbst dieses Jahres ist von einer Trendwende bei der Verbraucherstimmung nichts zu spüren, folgerte die Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) am Dienstag aus ihrer Juni-Umfrage unter 2000 Bundesbürgern. Das daraus berechnete Konsumklima für Juli sank auf 3,5 von revidiert 4,3 Punkten für Juni. Die GfK-Forscher machten auch die mögliche Erhöhung der Mehrwertsteuer für die schlechte Stimmung verantwortlich, andere Experten sahen im Rekordpreis für Öl den Hauptschuldigen.
Die Bereitschaft der Menschen zu größeren Anschaffungen sank der GfK zufolge erneut, weil sie sich weiter nicht darüber klar seien, welche finanziellen Be- oder Entlastungen auf sie zukommen. Es überwiegt noch immer die Skepsis über das, was in den nächsten Monaten passieren wird. Insofern ist noch immer Stillstand in der Entscheidung der Bürger, sagte GfK-Chef Klaus Wübbenhorst in einem Interview mit Reuters-TV. Der Pessimismus der Menschen über die wirtschaftlichen Aussichten und ihre eigene finanzielle Situation nahm in der Umfrage nur wenig ab.
Von Reuters befragte Experten hatten einen deutlich geringeren Rückgang des Konsumklimas erwartet. Im Gegensatz zu den Verbrauchern stärkt die Aussicht auf Neuwahlen die Zuversicht unter Firmen, wie erst am Montag der Anstieg des Ifo-Geschäftsklimas gezeigt hatte. Volkswirt Rainer Guntermann von Dresdner Kleinwort Wasserstein sieht darin keinen Widerspruch: Es geht um Reformen. Die Arbeitskosten für die Unternehmen sollen gesenkt werden, was zunächst meist für die Haushalte Einkommenseinbußen bedeutet. Andere Experten machten vor allem die Rekordpreise für Benzin für die schlechte Stimmung verantwortlich.
Der Indikator für die Bereitschaft zum Kauf langlebiger Güter wie Autos oder Möbel sank um 4,5 auf minus 25,8 Punkte. Schuld am Rückgang seien die mit einer Neuwahl verbundenen Unsicherheiten und die große Angst vor Arbeitslosigkeit. Jeder dritte Erwerbstätige in West- und jeder zweite in Ostdeutschland sieht seinen Arbeitsplatz bedroht, erläuterte die GfK. Wübbenhorst forderte die Politik auf, alles zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit zu tun. Verlässlichkeit in den Aktionen der Politiker ist auch gefordert, mahnte er.
Der Indikator für die Einkommenserwartung stieg um gut drei Punkte auf minus 9,9 Zähler, war jedoch im letzten Monat um über 13 Punkte gefallen. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und der Diskussion über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer nannten es die GfK-Forscher erstaunlich, dass sich der Indikator überhaupt erhöhte. Wübbenhorst warnte, eine Mehrwertsteuer-Erhöhung werde den ohnehin verunsicherten Verbrauchern noch weitere Kaufkraft entziehen. Die Bundesbürger haben zudem kaum Hoffnung, dass sich die wirtschaftliche Lage bald bessert – das Barometer für die Konjunkturerwartungen legte nur um knapp drei Punkte auf minus 13,4 Zähler zu. Die Binnennachfrage wird in diesem Jahr vermutlich keinen wesentlichen Beitrag zur konjunkturellen Entwicklung liefern, schloss die GfK aus den Umfrage-Ergebnissen. Sowohl die Sorgen der Menschen über ihre finanzielle Situation, als auch die Angst vor Arbeitsplatzverlust und der hohe Ölpreis verhinderten, dass die Menschen mehr konsumieren. Volkswirte warnten jedoch vor übertriebenem Pessimismus. Es wäre verfrüht, die Totenglocken für den privaten Konsum zu läuten, sagte Andreas Rees von der HypoVereinsbank. So wirke sich eine Mehrwertsteuer-Erhöhung meist nur kurzfristig auf den privaten Verbrauch aus. Auch sein Kollege Sebastian Wanke von der DekaBank hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben: Ich könnte mir vorstellen, dass mit zunehmender Klarheit über die Zeit nach der Wahl die Zuversicht steigt.