Erst am Samstagabend hatten sich in Jablonne v Podjestedi (Deutsch Gabel) rund 400 Neonazis aus beiden Ländern getroffen – die größte Zusammenkunft dieser Art in Tschechien seit 2001. Bürgerinitiativen kritisieren, dass die vor Ort eilig zusammengezogene Bereitschaftspolizei nicht eingegriffen habe. Es habe jedoch für die 100 Beamten kein akuter Anlass bestanden, betonte ein Polizeisprecher am Montag.
Schon lange werfen unabhängige Organisationen den tschechischen Behörden Gleichgültigkeit bei Rechtsextremismus vor. Die am Samstag harmlos als Geburtstagsfeier deklarierte Versammlung in einer ehemaligen Falknerei nahe der sächsischen Grenze war von der berüchtigten Skinhead-Organisation Blood and Honour veranstaltet worden. Die rechtsextreme Gruppe ist in der Bundesrepublik Deutschland seit rund fünf Jahren verboten, in Tschechien hingegen mindestens seit 1996 offen aktiv. Deutsche Neonazis können in Tschechien Konzerte von Bands wie Final War besuchen, die in Deutschland Auftrittsverbot haben, klagt ein Mitglied der Bürgerinitiative Tolerance.
Nach Beobachtungen der Verfassungsschutzbehörden spüren deutsche Rechtsextreme einen immer stärker werdenden Drang nach Osten. Während ihre von der NS-Ideologie verblendeten Großväter Slawen als Untermenschen sahen, suchen sie 60 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg in Tschechien Verbündete im Kampf für unsere Sache. Dabei sei die Aufklärungsrate von Neonazi-Treffen im Grenzgebiet sehr gering, weil es schwierig sei, den genauen Ort schnell zu finden, gestand Böhmens Polizeisprecher Pavel Valenta vor kurzem.
Der Prager Geheimdienst stellt in seinem jüngsten Bericht fest, dass tschechische Neonazis immer öfter Strategien von deutschen Rechtsextremen kopieren. So formiere sich die tschechische rechte Szene zu kleinen unabhängigen Abteilungen, die ihre Tätigkeiten koordinieren würden. Zu einer solchen Dezentralisierung sei es zuvor auch in Deutschland gekommen.
Wie weit deutscher Einfluss geht, zeigt ein aktueller Vorschlag der rechten Narodni strana (Nationalpartei): Danach sollen sich Tschechiens nationalistische Bewegungen unter dem Slogan Gemeinsam gegen alles zu einer Liste für die Parlamentswahl 2006 vereinen. Vorbild ist dabei ein deutsches Bündnis der NPD mit Neonazis und der DVU. Diese hatten sich im Oktober 2004 in Thüringen im Hinblick auf die Bundestagswahl 2006 zu einer Volksfront von Rechts verbündet.