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D: Misshandlungsvorwürfe ziehen weitere Kreise

Der Skandal um Misshandlungsvorwürfe in der deutschen Bundeswehr zieht immer weitere Kreise. Nach dem Fall in Coesfeld wurde der Vorwurf einer Misshandlung in der Westfalen-Kaserne im ebenfalls nordrhein-westfälischen Ahlen bekannt.

Dies bestätigte Grünen-Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei am Freitag gegenüber der dpa. Details zu Art und Umfang der Misshandlungen seien noch nicht bekannt. Im Fall Coesfeld geht das Verteidigungsministerium nach Informationen der „Welt“ mittlerweile von 30 Tätern aus.

Der deutsche Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) rief die Soldaten dazu auf, mögliche weitere Fälle zu melden. „Ich fordere jeden auf, der Ähnliches erlebt hat, sich bei der Bundeswehr zu melden, damit wir auch allen Vorwürfen nachgehen können“, sagte Struck in der Nachrichtensendung „VOX – der Tag“. „Man kann nie ausschließen, dass sich jetzt einige melden, denen vor einigen Jahren vielleicht etwas Ähnliches geschehen ist oder die sich bislang nicht gewagt haben, zu melden.“ Das Ministerium lässt den ordnungsgemäßen Ausbildungsablauf in der gesamten Bundeswehr prüfen. In einer Woche lägen Ergebnisse vor, sagte ein Ministeriumssprecher in Berlin. Die Ermittlungen zum Fall Ahlen hätten begonnen.

Walter Kolbow (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im deutschen Verteidigungsministerium, sagte gegenüber dem Sender n-tv, der Fall Ahlen werde überprüft. „Es ist nicht auszuschließen, dass auch noch weitere Hinweise kommen.“ Allerdings glaube er nicht, „dass es einen Sumpf gibt“. Der Bundestagsabgeordnete Jürgen Herrmann (CDU) aus Höxter sprach von vier Fällen in der Ahlener Kaserne. Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, wäre das „ein handfester Skandal“. Jetzt müsse alles hundertprozentig aufgeklärt werden.

Nach Angaben des Vorsitzenden des Deutschen Bundeswehr-Verbandes, Bernhard Gertz, ist der Ahlener Fall nicht mit Coesfeld vergleichbar. Bei der entsprechenden Eingabe eines Ahlener Soldaten an den Wehrbeauftragten des Bundestags handle es sich lediglich um ein kurzes Schreiben ohne Angaben zu Art und Weise der Misshandlungen, sagte Gertz gegenüber der dpa. Sollte sich verdichten, dass in Ahlen – ähnlich den Vorfällen in Coesfeld – die „Grenze zwischen zulässiger Befehlsmacht und unzulässigem Befehlsmissbrauch“ verletzt worden sei, müsse die Dienstaufsicht in der Bundeswehr verstärkt werden. „Es muss Soldaten grundsätzlich klar sein, dass sie keine menschenunwürdigen Befehle zu befolgen brauchen.“

Der Sprecher des Wehrbeauftragten, Guido Large, sagte hingegen, die Eingabe des Soldaten aus Ahlen beschreibe „Vorfälle, die denen in Coesfeld ähnlich sind“. Der Soldat ziehe diese Parallele. Nach Angaben des münsterländischen Bundestagsabgeordneten Reinhard Schultz (SPD) war zumindest das Szenario der Übung, in dem es zu dem Misshandlungsvorfall gekommen sein soll, jenem in Coesfeld ähnlich. „Das war auch ein inszenierter Überfall.“

In einem Bericht an den Verteidigungsausschuss schreibt das Verteidigungsministerium nach Angaben der „Welt“, bisher seien in Coesfeld 30 mutmaßliche Täter ermittelt worden. Der Kommandant des Heerestruppenkommandos wolle die Entlassung von vier Unteroffizieren und einem Offizieranwärter beantragen. Ein Sprecher des Kommandos wollte die Angaben nicht bestätigten.

Die Staatsanwaltschaft Münster betonte, weiter gegen 21 Vorgesetzte wegen der Misshandlungen von rund 80 Bundeswehrsoldaten zu ermitteln. In Coesfeld hatten Rekruten von einer nachgestellten Geiselnahme berichtet, bei der sie gefesselt, geschlagen und mit Wasser abgespritzt worden seien.

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