Mit seiner spektakulären Flucht auf ein Gefängnisdach hat der angeklagte Sexualstraftäter Mario M. in Deutschland eine Unterbrechung seines Prozesses erreicht. Der 36-Jährige wurde am Donnerstag für verhandlungsunfähig erklärt. Der Prozess um die Entführung und wochenlange Vergewaltigung der Schülerin Stephanie vor dem Dresdner Landgericht wird erst in anderthalb Wochen fortgesetzt.
Mario M. hatte in der Früh nach rund 20 Stunden das Dach der Justizvollzugsanstalt in Dresden freiwillig verlassen. Sachsens Justizminister Geert Mackenroth (CDU) spach von einer Panne und einem peinlichen Vorgang. Personelle Konsequenzen schloss er vorerst aus, betonte aber, er klebe nicht am Sessel.
Mario M. wurde am Donnerstag von sieben SEK-Beamten in Fuß- und Handfesseln vor Gericht vorgeführt, bevor der Prozess unterbrochen wurde. Laut einem Gerichtsmediziner litt der 36-Jährige nach seiner spektakulären Aktion unter Gleichgewichtsstörungen und Müdigkeit. Außerdem habe er sich eine Verletzung an der linken Brustseite zugegezogen und kaum gegessen und getrunken. Die Verhandlung soll nun am 21. November fortgesetzt werden.
Der Angeklagte, der Mittwoch früh auf das rund zehn Meter hohe Dach der Dresdner Justizvollzugsanstalt geklettert war, hatte erst Donnerstag gegen 3.50 Uhr aufgegeben und sich freiwillig mit einer Hebebühne herunterholen lassen. Bis zu 150 Beamte waren im Einsatz. Im Laufe der Nacht hatte der 36-Jährige von der Polizei eine Decke und ein Getränk erhalten. Nach Angaben der Polizei wurden Mario M. keinerlei Zugeständnisse gemacht. Mackenroth sieht derzeit keine Versäumnisse bei den Justizbeamten. Nach derzeitigem Erkenntnisstand seien die entscheidenden Vorschriften eingehalten worden. Mackenroth betonte, sollten sich im Laufe der Untersuchungen Details herausstellen, die einen Rücktritt erforderlich machten, klebe ich nicht am Sessel. Zugleich bedauerte er es, wenn sich die Ängste der 14-jährigen Stephanie, die Mario M. laut Anklage fünf Wochen lang missbrauchte und vergewaltigte, durch M.s spektakuläre Aktion verstärkt haben. Laut dem Anwalt der Familie, Ulrich von Jeinsen, hat Stephanie auf den Vorfall gefasst reagiert. Er schloss nicht aus, dass das Mädchen seine am Donnerstag abgesagte Zeugenaussage zu einem späteren Zeitpunkt macht. Sie ist unsere wichtigste Zeugin, sagte er.
FDP-Chef Guido Westerwelle sprach in der Bild-Zeitung von einem Justizskandal, der zum Himmel schreit – und nach persönlichen Konsequenzen der Verantwortlichen. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler (CSU) nannte die Kletteraktion von M. einem ungeheuerlichen, beispiellosen Vorgang.
Nach Angaben von JVA-Leiter Ulrich Schwarzer hatte Mario M. im Jahr 2000 in einer Haftanstalt schon einmal versucht, an Gittern hochzuklettern. Als Konsequenz aus dem Vorfall im Dresdner Gefängnis sollen nun zunächst alle Justizvollzugsanstalten in Sachsen auf bauliche Lücken geprüft werden, auch um mögliche Nachahmungstäter abzuschrecken. Mario M. darf seine Zelle nur noch gefesselt verlassen.