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D: Einigung bei VW

Nach einem Verhandlungsmarathon von 27 Stunden ist der Tarifkonflikt bei Volkswagen mit einem Kompromiss beigelegt worden. Der deutsche Autobauer verpflichtet sich, bis 2011 die Zahl von 103.000 Beschäftigten in Westdeutschland zu halten.

Im Gegenzug akzeptiert die IG Metall eine Nullrunde von zwei Jahren und vier Monaten bei einer einmaligen Sonderzahlung von 1.000 Euro. Die Vereinbarung sieht zahlreiche weitere Einschnitte für die Belegschaft vor. Nach Angaben des Konzerns wird mit dem Vertrag ab dem Jahr 2006 1 Mrd. Euro eingespart.

IG Metall-Verhandlungsführer Hartmut Meine erklärte am Mittwochmittag in Hannover: „Erstmals werden mit einem Tarifvertrag nachhaltig 103.000 Arbeitsplätze für die Zukunft abgesichert.“ VW-Verhandlungsführer Josef-Fidelis Senn sagte: „Unser Konzept des Nachhaltigkeitsvertrags konnte in den wesentlichen Punkten umgesetzt werden.“

Der Vertrag muss noch von der großen Tarifkommission der Gewerkschaft gebilligt werden, teilte die IG Metall mit. Das solle am Freitag geschehen. Vorher werde die Belegschaft informiert.

Die VW-Beschäftigen verzichten für 28 Monate ab dem 1. Oktober 2004 auf Gehaltserhöhungen. Im März 2005 bekommen sie eine einmalige Sonderzahlung von 1.000 Euro. Außerdem werden die Arbeitszeitkonten massiv ausgeweitet auf plus 400 und minus 400 Stunden. Das bedeutet im Alltag, dass kaum noch Überstundenzuschläge anfallen werden, wie sie sonst zum Beispiele bei Modellanläufen regelmäßig fällig werden. Dadurch spart der Konzern massiv Geld. Als dritter Punkt wurde vereinbart, dass neu eingestellte Mitarbeiter deutlich weniger verdienen sollen, VW spricht von 20 Prozent. Die Trennung von Arbeitern und Angestellten wird aufgehoben. Ab 2006 soll es einen Jahresbonus abhängig vom Gewinn geben.

Einsparungen erwartet sich der Konzern aus der neu eingeführten demographischen Arbeitszeit. Dazu müssen fast alle Mitarbeiter 1,5 Stunden pro Woche unbezahlt zusätzlich arbeiten, um auf einem so genannten Lebensarbeitszeitkonto ein Polster anzusammeln. Damit können sie dann im Alter früher in Rente gehen. Bei den Auszubildenden übernimmt VW nicht mehr wie bisher alle, sondern nur noch 85 Prozent. Die restlichen 15 Prozent sollen bei einer VW-Tochter eine unbefristete Beschäftigung finden. Die Ausbildungsvergütung wird gesenkt.

Die großen Erfolge der IG Metall liegen in der langfristigen Arbeitsplatzsicherung: Volkswagen verzichtet bis 2011 auf betriebsbedingte Kündigungen. Außerdem legen Unternehmen und Betriebsrat zusammen fest, welche Autos in welchem Werk gebaut werden, um so die Jobs zu sichern. Das bedeutet laut IG Metall zum Beispiel, dass der geplante kleine Geländewagen ab 2007 in Wolfsburg gebaut wird. Bisher galt Wolfsburg als zu teuer für die Produktion.

Meine betonte, die Arbeitnehmerseite erwarte nun auch einen finanziellen Beitrag von Management und Vorstand bei den eigenen Gehältern. Senn sagte dazu, bei den Managern werde es eine „absolute Gleichbeteiligung“ geben. Den Führungskräften war der Bonus für dieses Jahr bereits gesenkt worden.

VW-Verhandlungsführer Senn betonte, dass die geplante Einsparung von einer Milliarde Euro ab 2006 erreicht werde. Allein die Nullrunde bringt laut Senn 180 Mio. Euro im Jahr. Die VW-Aktie reagierte mit einem Einbruch von über 3 Prozent auf den Abschluss. Beide Verhandlungspartner zeigten sich mit dem Kompromiss zufrieden: „Ich glaube, dass dies eine knallharte Tarifrunde war. Ich glaube, dies ist ein ehrlicher Kompromiss“, sagte Meine. Senn ergänzte: „Ich habe selten eine so schwierige Runde gefahren.“

Die Einigung im Tarifkonflikt bei Volkswagen ist in Politik und Wirtschaft mit großer Erleichterung aufgenommen worden. Der deutsche Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement sagte am Mittwoch, er freue sich „von Herzen“, dass bei VW eine einvernehmliche Lösung gefunden und größeren Arbeitskampfmaßnahmen ausgeblieben seien. VDA-Präsident Bernd Gottschalk wertete den Abschluss als positives Signal für die Zukunft. „Uns fällt ein tonnenschwerer Stein vom Herzen“, kommentierte der Präsident des Verbandes der deutschen Automobilindustrie die Einigung.

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