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D: Berufsschulklasse vor Gericht

Das Schicksal eines Berufsschülers aus Hildesheim erschütterte Anfang des Jahres Deutschland: Mehr als zwei Monate lang wurde ein 18-Jähriger brutal misshandelt.

Die ganze Berufsgrundbildungsklasse soll von den regelmäßigen Torturen im Werkraum und im Materiallager der Schule gewusst haben – aber niemand schritt ein, keiner half dem Klassenkameraden.

Am Dienstag beginnt vor der Jugendkammer des Hildesheimer Landgerichts der Prozess gegen die Peiniger. Auf der Anklagebank sollen elf Schüler der Klasse 03 B der Werner-von-Siemens-Schule Platz nehmen, vier Hauptangeklagte sitzen seit Anfang Februar in Untersuchungshaft.

Körperverletzung, Erpressung und Nötigung

Die Staatsanwaltschaft wirft den Teenagern unter anderem gefährliche Körperverletzung, räuberische Erpressung, Nötigung und Sachbeschädigung vor. Weil die Angeklagten zwischen 16 und 18 Jahre alt sind, findet der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. In der 31-seitigen Anklageschrift hat die Staatsanwaltschaft insgesamt 26 Taten aufgelistet, die den allesamt nicht vorbestraften Berufsschülern vorgeworfen werden.

Demnach begannen die Misshandlungen nur zwei Wochen, nachdem der 18-Jährige neu in die Klasse gekommen war. Laut Anklage musste der Berufsschüler unter Androhung von Schlägen sein Geschlechtsteil entblößen, er musste Kreide essen und auf Zigarettenfiltern herumkauen, er soll mit einer Feile, mit Fäusten und Schraubenziehern geschlagen und drangsaliert worden sein.

Der Neuling wurde unter anderem gezwungen, sich einen Plastikkübel über den Kopf zu stülpen, auf den die Mitschüler dann einschlugen und eintraten. Sein Handy wurde „abgezogen“, er musste sich im Blaumann unter die laufende Dusche stellen. Einen Teil der Torturen hielten die Berufsschüler mit einer Digitalkamera fest. Der Gewaltexzess flog erst Ende Jänner auf, als sich der verängstigte Schüler schließlich einer Schulsozialpädagogin anvertraute.

Prellungen am ganzen Körper

Laut Staatsanwaltschaft trug der Teenager durch die immer häufigeren Peinigungen zahlreiche Prellungen im Gesicht, am Brustkorb sowie an beiden Armen davon und erlitt zudem eine Depression. Nachdem die Vorfälle bekannt geworden waren, erhob das Opfer in einem Zeitungsinterview auch Vorwürfe gegen einen Lehrer der Berufsschule, der während der Misshandlungen im Nebenraum gewesen sei: „Er hat einfach immer nur am Tisch gesessen.“

Die Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren gegen den Pädagogen ein. „Es besteht der Verdacht, dass er die Übergriffe mitbekommen hat und nicht eingeschritten ist“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Für den Prozess in Hildesheim sind zunächst drei Verhandlungstage angesetzt. Der misshandelte Berufsschüler wird voraussichtlich am zweiten Prozesstag als Zeuge aussagen.

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